N26-CEO Valentin Stalf:

Die Bank von morgen

04/10/2018
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Vor fünf Jahren gründeten Maximilian Tayenthal und Valentin Stalf das Fintech-Startup N26 mit großer Vision „Building a Bank the world loves to use“. Die vernetzte Zielgruppe der 18- bis 40-Jährigen ist anspruchsvoll, doch das Konzept scheint aufzugehen: 500.000 Kunden in 17 europäischen Ländern – Tendenz stark steigend.

Valentin, ihr habt in drei Jahren einen sicheren Arbeitsplatz für 350 Mitarbeiter geschaffen. Was bedeutet diese Entwicklung für dich?

Valentin Stalf: Mein Commitment galt von Beginn an zu 100 Prozent dem Unternehmen. Die Management-Aufgabe verändert sich natürlich. Wenn man zu zweit startet, managt man sich selbst, dann 20 bis 50 Mitarbeiter. Man kennt die Leute persönlich und benötigt keine große Struktur. Doch dann folgt der Punkt mit 100 bis 300 Mitarbeitern. Strukturen und das Führungsteam werden wesentlich. Nur wenn man es schafft, die richtigen Persönlichkeiten um sich aufzubauen, kann man schnelles Wachstum managen. Als Gründungsteam haben wir heute einen stärker visionären Auftrag. Jede Handlung hat symbolischen Charakter. Am Ende baut unser Team die Company, wir helfen nur und stellen die richtigen Mitarbeiter ein.

Auch eure Produktpalette ist gewachsen. Anfang Januar habt ihr die N26 Metal Card auf den Markt gebracht. Was verbirgt sich dahinter?

Valentin Stalf: Wir sind vor drei Jahren mit dem minimalsten Produkt, das man als Finanzdienstleister bauen kann, gestartet: Girokonto mit Karte. Seit unserem Launch 2015 haben wir einige Milliarden Euro in Transaktionsvolumen abgewickelt. Mit N26 Black, unserem Premium-Konto, bieten wir neben dem klassischen Banking Features wie Auslandsreise-Versicherung oder weltweit kostenlose Bargeldabhebungen. Mehr als 15 Prozent unserer Kunden nutzen dieses Angebot. Der logische nächste Schritt war der Ausbau: N26 Metal – die erste Metallkern-Karte in Europa, mit der man kontaktlos bezahlen kann. Das Besondere für uns ist, dass wir um die Karte herum eine Community für digitale Kunden aufbauen. Den ersten Schritt sind wir durch unsere globale Partnerschaft mit Wework gegangen. Unsere Metal-Kunden können damit weltweit Meetingräume buchen oder in den Wework-Offices arbeiten, egal ob in Berlin oder London. Wir bauen ein Partnerprogramm für den digitalen Kunden mit den weltweit besten Unternehmen. Es wird daher nicht bei der Kooperation mit Wework bleiben. Es werden einige selektierte Partner pro Stadt beziehungsweise Land sein. Zudem wird es globale Partner geben. In den nächsten Wochen werden weitere Partner bekanntgegeben.

Valentin Stalf: „Traditionelle Banken bieten keine innovativen Produkte“

Valentin Stalf: „Wir sind ein Bekenntnis zu einem digitalen Leben“

Also versteht sich N26 nicht als Bank, sondern als Community?

Valentin Stalf: N26 ist nicht nur eine Bank, wir sind ein Bekenntnis zu einem digitalen Leben und transparentem und einfachen Banking. Traditionelle Bankangebote haben es bis heute nicht geschafft, Problemlöser für Kunden zu sein. Wir haben den Anspruch, unsere Kunden zu verstehen. Jemand, der eine Familie gründet, hat andere Bedürfnisse als jemand, der gerade ein Haus kauft. Im Vordergrund stehen dabei nicht die Produkte, sondern das individuelle Erlebnis. Unsere Vision lautet: „Building a Bank the world loves to use“. Heute lieben die wenigsten Kunden die eigene Bank.

Was unterscheidet euer Vorgehen von dem der Mitbewerber?

Valentin Stalf: Wir haben eine einzigartige Technologie, ein eigenes System, auf dem wir unser Unternehmen aufgebaut haben und sind voll reguliert. Das gibt uns Geschwindigkeit und Flexibilität im sonst eher langsamen Bankensegment. Retail-Banken werden uns nicht überholen. Außerdem haben wir sehr zufriedene Kunden, die lange bei uns bleiben und das Produkt gerne verwenden. Traditionelle Banken kämpfen mit der Transformation ihrer Produkte in ein digitales Zeitalter. Die Kunden kommen zu uns, weil wir eine digitale User-Experience anbieten, die sie schätzen. Zudem sind wir günstiger als die Mitbewerber, da wir neue Technologien nutzen und auf ein Filialnetz verzichten. Das führt zu einer anderen Kostenstruktur als bei einer Retail-Bank. Die Kostenvorteile geben wir an unsere Kunden weiter. Wir glauben daran, dass die Bank der Zukunft ihren Kunden immer die besten Produkte anbieten sollte, und bieten daher nicht nur unsere eigenen Produkte an, sondern haben uns entschieden, die besten Anbieter in unsere App zu integrieren. In der Bankenbranche gibt es einen starken Hang zum Unbundling: Es gibt viele Unternehmen und Startups, die einzigartige Produkte in gewissen Nischen anbieten – zum Beispiel nur Kredite oder Anlageprodukte oder Produkte für internationale Überweisungen. 80 Prozent der Kunden wollen ihre Finanzen einfach erledigen – möglichst mit zwei Klicks – und nicht stundenlang im Internet vergleichen. Wir kuratieren daher die besten Angebote vor und bieten sie unseren Kunden in der App an. Mit Weltsparen, Auxmoney und Clark haben wir schon einige der besten Fintechs in den Bereichen Sparen, Kredit und Versicherungen an der Seite. So stellen wir sicher, dass wir in jeder Dimension einer Retailbank immer die besten Produkte anbieten können, bessere Sparzinsen, attraktive Wechselkurse oder bessere Finanzierungsmöglichkeiten.

Habt ihr keine Ambitionen, diese Produkte aus eigener Feder anzubieten?

Valentin Stalf: Wir schauen uns jeden Bereich an. Wenn wir denken, wir können ein eigenes Produkt in den Wettbewerb schicken, dann machen wir das auch. Unsere Produkte müssen dann aber auch selbstständig im Markt gegen andere Produkte bestehen, der Kunde hat die Wahl.

Wie geht ihr bei der Menge an Kooperationen mit Datensicherheit in der User-Experience um?

Valentin Stalf: Als voll regulierte Bank erhalten wir von unseren Kunden Vertrauen. Ihre Daten sind bei uns sicher. Ziel muss es sein, nicht auf jeder Plattform seine Daten einzugeben. Sie liegen verschlüsselt bei N26 und werden im Einzelfall verifiziert. Bankensysteme sind oftmals statisch. Dabei wird die User-Experience mittlerweile stark durch intelligente Systeme getrieben. Bei einer regulären Bank benötigst du deine TAN-Liste und Zugangsdaten. Es ist immer der gleiche Prozess. Wir erstellen für unsere Kunden ein Profil mit Risiko-Scoring. Wenn ich meinem Bruder zehn Euro überweise, ist das eine reguläre Transaktion. Wenn ich um Mitternacht 30.000 Euro nach Hongkong überweise, muss die Bank die Plausibilität der Transaktion hinterfragen. Da gibt es verschiedene Faktoren, anhand derer wir ein Scoring erstellen und basierend darauf zukünftig die Sicherheitsstufen anpassen. So vereinen wir Sicherheit und ausgezeichnete Experience.

Welchen Einfluss haben intelligente Systeme auf den Kundenservice?

Valentin Stalf: 50 bis 60 Prozent der Anfragen im Customer-Service sind ähnlich. Unsere Kunden werden zum Beispiel aktiv, wenn sie die Karte verloren haben oder ungewöhnliche Transaktionen auf dem Konto feststellen. Mit Chatbots kann man die Hälfte aller Anfragen beantworten. Man hat dann mehr Zeit für komplexe Anfragen und dennoch die Kosten im Griff.

Wo seht ihr euch langfristig am Markt?

Valentin Stalf: Zurück zum Netzwerk-Gedanken: Unser Ziel ist es, eine paneuropäische Bank aufzubauen. Wir sind in 17 Ländern und es macht Sinn, mit einer Banklizenz all die - se Länder zu bedienen. Der App Store ist global. Auch für die Marke ist es gut, wenn man globaler ist. Wir möchten mittelfristig fünf bis zehn Millionen Kunden in Europa gewinnen. Doch zunächst müssen wir unsere bestehenden Kunden weiterhin zufriedenstellen, damit sie das Produkt langfristig verwenden. Die Erweiterung unseres Angebots mit Premium-Features und Lifestyle-Aspekten ist sinnvoll: Der Kunde schätzt es, seine Dienstleistungen aus einer Hand zu erhalten. Zudem ist es unser Anspruch, die Komplexität der App zu reduzieren. Wir arbeiten an einem Projekt zur Gestaltung einer optimierten Benutzeroberfläche. Darüber hinaus differenzieren wir die Produkte noch weiter. Heute kann der Kunde bei uns Festgelder anlegen, wir wollen aber auch kurzfristige Anlagemöglichkeiten auf den Markt bringen. Ein Projekt, das sogar über die europäischen Grenzen hinausgeht, planen wir derzeit in New York: Wir werden nächstes Jahr ein Produkt auf den amerikanischen Markt bringen, getrennt von unserem europäischen Geschäft.

Worin unterscheidet sich das Produkt in den USA?

Valentin Stalf: In den Staaten können wir unsere eigene Banklizenz nicht nutzen. Wir müssen dort mit einer anderen Bank kooperieren, die uns eine Regulatorik im Hintergrund stellt. Auch das Kartengeschäft funktioniert dort anders. Die Gebühren für Kartentransaktionen sind deutlich höher als in Europa, das hat Auswirkungen auf unsere Reward Earnings. Verdient man zwei oder drei Prozent Gebühren je Transaktion, kann man das in Benefits für den Kunden stecken. Das heißt, wir machen dort eine Kreditkarte mit einem größeren Reward-Programm.

Wie wird sich der Bankenmarkt in den kommenden Jahren verändern?

Valentin Stalf: Der deutsche Bankenmarkt spezialisiert sich. Eine Bank kann hohe Zinsen bezahlen, eine andere ist gut im Immobiliengeschäft aufgestellt. Es wird schwieriger, eine Generalbank zu erhalten, die auf veralteter Infrastruktur basiert. Die Technologie-Basis verursacht hohe Kos - ten und die Mitarbeiter haben wahrscheinlich Schwierigkeiten bei der digitalen Transformation. Das ist normal, da sich das Nutzerverhalten komplett geändert hat. Die Mitarbeiter sind für die Filiale ausgebildet, müssten heute eigentlich Apps programmieren. Als Konsequenz wurden Filialen geschlossen und Mitarbeiter entlassen. Die Frage ist, ob das radikal genug ist. Formulieren wir es aus Kundensicht: Die Filialbank hat Probleme, die sie als Unternehmen lösen muss und wenig Zeit für Neues. Was hindert mich daran, zu einer Bank zu wechseln, die diese Probleme nicht hat? Wir rechnen daher in den nächsten Jahren mit Marktanteilsverschiebungen im Retail Banking, das sehen wir als eine der am stärksten wachsenden Banken in Europa schon heute. Irgendwoher kommen diese Kunden, meist von traditionellen Banken.

N26

Branche: Fintech
Beschreibung: N26 ist Europas erste mobile Bank mit Vollbanklizenz. Ein Konto kann in nur acht Minuten eröffnet werden. Geldtransfer erfolgt unter anderem über E-Mail oder SMS.
Gründer: Valentin Stalf, Maximilian Tayenthal
Gründungsjahr: 2013
Mitarbeiter: mehr als 300 Investoren: Horizons Ventures, Valar Ventures, Earlybird Ventures, Redalpine Ventures, Mitglieder des Zalando-Management-Boards
Investitionshöhe: mehr als 55 Millionen US-Dollar
Website: n26.com

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