Bei der Geldanlage geht der Trend zum Robo Advisor
Vermögen richtig anzulegen kostet entweder viel Zeit, viel Geld oder beides. Ein Vermögensverwalter lohnt sich oft erst ab Beträgen von mehreren Hunderttausend Euro und er verlangt hohe Gebühren für seine Leistung. Sich selbst einen Überblick über die Fülle von Finanzprodukten am Markt zu verschaffen, ist zeitaufwändig, und es ist einiges an Know-how nötig, das viele Verbraucher nicht haben. Die optimalen Anlagemöglichkeiten für das eigene Vermögen zu finden, ist gerade in Zeiten niedriger Zinsen sehr schwierig.
Fintechs lösen dieses Problem mit Robo Advisorn. Dahinter stecken keine Roboter im eigentlichen Sinne, sondern Algorithmen, die abhängig vom Anlegertypus das richtige Portfolio für jeden Nutzer zusammenstellen. Je nach Zertifizierung und Geschäftsmodell ist ein Robo Advisor auch in der Lage, das Portfolio im Anschluss zu überwachen und zu verwalten.
Beraten und verwalten
Bei allen Varianten von Robo Advisorn durchläuft der Nutzer anfangs einen Prozess, um herauszufinden, wie viel Risiko er bei seiner Geldanlage eingehen will. Das Ergebnis dieses Tests zeigt die Risikoneigung des Anlegers.
Viele Firmen agieren nur als Finanzvermittler: Sie lassen ihre Kunden selbst wählen, ob sie ein hohes, mittleres oder niedriges Risiko einzugehen bereit sind und empfehlen auf dieser Basis bestimmte Produkte, die der Nutzer dann erwerben kann. Es handelt sich hierbei um eine reine Beratungsleistung. Vermögensverwalter stellen die Risikoneigung ihrer Kunden über einen Fragebogen fest. Dieser Fragebogen wird vom Wertpapierhandelsgesetz vorge- geben und führt zu einem Score, der die maximale Risikoklasse für den jeweiligen Nutzer bestimmt. Die Anbieter der Robo Advisor erhalten dann ein Mandat des Kunden, stellen das zur Risikoneigung passende Portfolio zusammen und verwalten dieses im Anschluss auch. Aktuell gibt es auf dem deutschen Markt nur wenige Anbieter in diesem Bereich. Dazu gehören Scalable Capital, Fintego, Quirion, Visualvest und ganz neu auch Whitebox.
Die Kunden dieser Unternehmen sind digitalaffine Menschen mit kleinen bis mittleren Vermögen. „Wir nennen unsere Kunden Smart Busy Professionals“, sagt Erik Podzuweit, Mitgründer von Scalable Capital: „Sie sind zu smart, um sich in ihrer Bank irgendwelche Finanzprodukte andrehen zu lassen, die nicht zu ihnen passen, aber zu busy, um sich komplett selbst um ihre Vermögensverwaltung zu kümmern.“
Konstantes Risiko
Von der Risikoneigung über die Zusammenstellung des Portfolios bis hin zur Überwachung und Anpassung ist bei Scalable Capital alles automatisiert. Das macht den Service günstig. Aktuell kann man sein Geld ab einer Summe von 10.000 Euro anlegen und bezahlt dafür insgesamt Gebühren von 100 Euro pro Jahr – gerade mal ein Prozent des verwalteten Vermögens. Der Algorithmus legt das Geld des Nutzers in die Produkte an, die ihm im Anlageuniversum zur Verfügung stehen. Welche Produkte hier aufgenommen werden, entscheidet jedes Unternehmen selbst. Dafür ist immer noch menschliche Expertise notwendig.
Scalable Capital arbeitet beispielsweise ausschließlich mit Exchange Traded Funds (ETFs), die auch viele andere Anbieter nutzen. Sie bilden jeweils einen Aktienindex ab und gehören zu den günstigsten Finanzprodukten am Markt. „Wir selektieren mithilfe eines Kataloges vor, welche ETFs für unsere Kunden am besten passen und tauschen sie auch aus, wenn sich geeignetere finden“, sagt Podzuweit. Whitebox nimmt neben den ETFs auch Indexfonds und Anleihen auf Rohstoffe ins Portfolio. Das Startup Visualvest streut das Geld seiner Anleger als einziger Anbieter neben Indexfonds, ETFs und Rohstoffanleihen auch in aktiv gemanagte Fonds.
Die Kriterien, nach denen das angelegte Vermögen auf die verschiedenen Finanzprodukte verteilt wird, sind in jedem Algorithmus festgelegt. Die meisten Vermögensverwalter – und auch die meisten Robo Advisor – arbeiten mit Musterportfolios für die unterschiedlichen Risikoklassen. In diesen ist festgelegt, zu welchem Anteil das Geld auf die zur Verfügung stehenden Produkte verteilt wird. Vereinfacht könnte das bedeuten, dass für eine bestimmte Risikoklasse 60 Prozent des Vermögens in Aktien angelegt werden und 40 Prozent in Indexfonds.
Steht das Musterportfolio, überwacht der Algorithmus, dass die Verteilung im Portfolio gleich bleibt. Verzeichnen die Aktien einen starken Kursanstieg, steigt damit auch der Wert des Portfolios. Da dieser Mehrwert aber nur durch die Aktien generiert wird, stecken mehr als 60 Prozent des Geldes in Aktien. Weil das Unternehmen ein Mandat zur Verwaltung des Vermögens hat, kann der Robo Advisor die Verteilung automatisch korrigieren. So bleibt die prozentuale Verteilung im Portfolio konstant und entspricht weiterhin der Risikoklasse des Anlegers.
Scalable Capital arbeitet mit einer anderen Methode: „Uns sind feste Musteranteile egal. Es geht darum, dass das tatsächliche Risiko im Portfolio konstant bleibt und der Risikoklasse entspricht“, sagt Podzuweit. Das Startup hat einen eigenen Ansatz entwickelt, der sich nicht nur auf das durchschnittliche Risiko eines Finanzproduktes verlässt: Der Algorithmus betrachtet die langfristige und die kurzfristige Historie eines Fonds und misst verschiedene Werte. Beispielsweise Preis-, Zins- und Wechselkursentwicklungen und die Abhängigkeit verschiedener Anlageklassen zueinander. Die lange Historie zeigt, wie risikoreich ein Produkt im Mittel ist, die kurzfristige hilft beim Blick in die Zukunft. Risiken treten meist gruppiert in sogenannten Clustern auf und mit dem Wissen, wie sich das Risiko in den letzten Wochen und Tagen entwickelt hat, lässt sich mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit voraussagen, wie es sich in den kommenden Tagen verhalten wird. Anhand dieser Daten bestimmt der Robo Advisor von Scalable Capital täglich das Risiko der einzelnen ETFs und passt die Portfolios bei Veränderungen an.
Dieses System hat das Unternehmen gemeinsam mit Stefan Mittnik, Professor für Finanzökonometrie an der Ludwig-Maximilians-Universität München, entwickelt. Die Gründer waren vorher lange bei Goldman Sachs im Handel tätig, Mittnik ist einer der angesehensten Köpfe im Bereich der Risikoforschung und arbeitet seit Jahren an einem solchen System. Mit vereintem Know-how konnten sie die Technologie zur Marktreife bringen.
Mensch und Maschine
Doch welchen Platz haben die Robo Advisor am Markt – werden sie menschliche Anlageberater und Vermögensverwalter ersetzen können? Durch die Automatisierung von Risikoneigungstest, Anlage, Überwachung und Reporting können sie einen umfassenden Service anbieten und sind gleichzeitig sehr viel günstiger als herkömmliche Vermögensverwalter. Dank der geringen Kosten lohnen sich Robo Advisor außerdem schon für kleine Summen. Je nach Anbieter liegt die kleinstmögliche Summe zwischen 1000 und 10.000 Euro. Allerdings können Robo Advisor keine persönliche Beratung bieten und abgesehen von der Risikoneigung beziehen sie keine individuellen Faktoren in die Anlagestrategie ein. In diesem Punkt sind ihnen die menschlichen Berater einen Schritt voraus.
Damit arbeiten Mensch und Maschine bisher noch in unterschiedlichen Nischen. „Ich glaube nicht, dass Mensch und Maschine sich hier nur als Konkurrenten gegenüberstehen“, sagt Rudolf Geyer von Ebase, dem Markeninhaber von Fintego. Er geht vielmehr davon aus, dass die Algorithmen sinnvolle Ergänzungen für bisherige Dienstleister sind. „Robo Advisor werden sich als Instrumente immer weiter verbreiten, denn sie bedeuten auch einen Effizienzgewinn für die Vermögensverwalter. Die Expertise, die richtigen Produkte zu wählen, bleibt ja trotzdem beim Menschen“, sagt Geyer. Fintego bietet genau diesen Service zur Kombination von Mensch und Maschine: ihren Robo Advisor gibt es anders als bei der Konkurrenz auch als B2B-Modell. Andere Finanzdienstleister können die Oberfläche auf ihrer Webseite einbinden und ihren Kunden so den Service von Fintego anbieten. Das Unternehmen möchte diesen Zweig weiter ausbauen und Partner für Vermögensberater werden, wenn es um Digitalisierung und Robo Advising geht.
Zudem kommen auch die anderen Robo Advisor nicht ohne Menschen aus. Der Algorithmus automatisiert zwar viele Prozesse, doch er muss programmiert und gewartet werden. Außerdem sind es die Menschen, die den Algorithmus mit Informationen füttern. Menschen bewerten die Finanzprodukte und entscheiden, mit welchen der Robo Advisor überhaupt arbeiten darf. Und der Mensch bleibt weiterhin der Ansprechpartner für die Anleger.
Marktpotenzial für Robo Advisor
Ob sich Robo Advisor in Deutschland durchsetzen, wird sich zeigen. Die Deutschen gelten eher als digitalisierungsskeptisch. Der Markt ist in den USA bereits deutlich größer. Von dort kommt der Trend auch gerade über den Atlantik. 2015 wurden weltweit 26,7 Milliarden Euro mit Robo Advisorn angelegt. In Deutschland waren es 100 Millionen Euro. Eine Studie der Deutschen Bank prognostiziert allerdings eine Verdopplung dieses Volumens für 2016 und rechnet damit, dass die Deutschen im Jahr 2020 bereits 25 Milliarden Euro von Robo Advisorn verwalten lassen.
Das deutsche Ökosystem profitiert in diesem Fall davon, dass viele Menschen hierzulande bereits daran gewöhnt sind, Finanzdinge digital zu erledigen. Im vergangenen Jahr nutzten laut Bitkom Research 40 Millionen Menschen – immerhin die Hälfte der deutschen Bevölkerung – das Onlinebanking-Angebot ihrer Bank. Neue Anbieter verzeichnen ein schnelles Kundenwachstum. Der Markt profitiert auch von den positiven Erfahrungen, die Anleger mit den Early Birds der Branche machen konnten. Quirion war 2013 der erste Anbieter in Deutschland, Fintego folgte 2014. Beide erwiesen sich offenbar als gute Partner für ihre Kunden, denn diese blieben und weiteten ihre Investments aus: „Wir haben festgestellt, dass die meisten Anleger zuerst eine Art Probefahrt mit uns gemacht haben und nur einen Teil ihres Vermögens mit Fintego anlegten. Jetzt, drei Jahre nach dem Start, haben wir uns bewährt und die Nutzer vertrauen uns auch einen größeren Teil ihres Vermö- gens an“, sagt Geyer. Die optimalen Anlagemöglichkeiten für das eigene Vermögen zu finden, könnte so zukünftig deutlich einfacher werden.