Interview mit Optiopay:

„Fast jedes Unternehmen ist ein potenzieller Kunde“

16/03/2017
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Ihr kennt euch bereits seit 18 Jahren und habt vor zwei Jahren gemeinsam Optiopay gegründet. Warum erst so spät?

Marcus Börner: Gut Ding will Weile haben. Wir sind beide in derselben Kleinstadt (Hofheim am Taunus, d. Red.) groß geworden. Aber ich habe schon früh Rebuy gegründet. Und nach meinem Ausstieg habe ich zunächst eine Weltreise gemacht.

Oliver Oster: Ich wiederum hatte einen anderen Werdegang und bin Rechtsanwalt geworden, obwohl ich zu Schulzeiten schon ein Subscription-Modell für selbsterstellte Webseiten verkauft und während des Studiums ein Import-Unternehmen für Waren aus China aufgebaut habe. Als Rechtsanwalt war ich in Frankfurt und Sydney und habe irgendwann gemerkt: Ich will nicht mein ganzes Leben als Anwalt verbringen. An einem dieser typischen Jungs-Abende sprachen wir über die Zukunft. Marcus meinte schließlich: Komm doch einfach nach Berlin! Und ich dachte mir: Warum eigentlich nicht? (lacht)

Du hast den Schritt dann sofort gewagt?

Oliver Oster: Ja. Ich habe meine Wohnung gekündigt und bin auf direktem Weg nach Berlin in eine WG an der Hasenheide gezogen. Dort wohne ich übrigens immer noch. Als Marcus dann von seiner Weltreise wiederkam, haben wir uns mit verschiedenen Ideen beschäftigt.

Und aus einer davon ist Optiopay hervorgegangen.

Marcus Börner: Wir haben damals bewusst verschiedene Sachen gleichzeitig gestartet. Aber auf das Konzept einer Auszahlungsplattform, die – vereinfacht ausgedrückt – Auszahlungen in Form von höherwertigen Einkaufsgutscheinen ermöglicht, war die Resonanz von Investoren und Kunden am größten. Und auch wir haben schnell gemerkt, dass unser Herz für die Idee am stärksten schlägt.

Könnt Ihr euer Geschäftsmodell an einem anschaulichen Beispiel präzisieren?

Marcus Börner: Nehmen wir einen klassischen Fall: Man hat dir dein Fahrrad geklaut. Von deiner Versicherung bekommst du dafür 500 Euro. Optiopay übernimmt dann für die Versicherung den gesamten Prozess der Auszahlung. Das fängt damit an, dass wir dich im Namen der Versicherung kontaktieren und auf ein Auszahlungsportal in der Corporate Identity der Versicherung weiterleiten. Dort hast du dann Zugriff auf bis zu 120 vorteilhafte Auszahlungsoptionen.

Wieso sollte ich das als Kunde wollen?

Marcus Börner: Beispielsweise hat der Zahlungsempfänger die Option, einen höherwertigen Gutschein zu wählen. Du kannst dir also entweder 500 Euro auf dein Bankkonto überweisen lassen oder du wählst einen 600-Euro-Einkaufsgutschein für einen Fahrradhändler oder einen 520-Euro-Einkaufsgutschein von Amazon. So machst du als Zahlungsempfänger in diesem Fall zwischen 20 und 100 Euro mehr aus deiner Auszahlung. Spannender Nebeneffekt: Die Gutscheine sind sofort verfügbar, auf eine Überweisung muss man ein bis zwei Werktage warten.

Kindheitsfreunde: Oliver (li.) und Marcus sind beide in Hofheim am Taunus aufgewachsen. (Foto: Jann Venherm)

Sind die Größenordnungen real?

Marcus Börner: Ja. Wir haben Anbieter von Auszahlungsoptionen, die machen aus 20 Euro einen Gegenwert von 40 Euro, zahlen also hundert Prozent mehr. Das Entscheidende für uns ist: Der zusätzliche Mehrwert kommt immer von dem Anbieter der Auszahlungsoption. Die wollen sich schließlich attraktiv machen. Und je mehr sie bieten, desto attraktiver werden sie. So bringen wir die Unternehmen in einen Wettbewerb um die Kaufkraft und die Sichtbarkeit bei den Kunden.

Wieso sollte ein großes Unternehmen wie Amazon sich auf ein derartiges Geschäft einlassen?

Marcus Börner: Unsere Argumentation bei Unternehmen beginnt immer mit der Frage: Wie ist eure Relation von Marketingkosten und Umsatz? Wenn ihr 20 Prozent eures Umsatzes für Marketing ausgebt, habt ihr auch bei Optiopay 20 Prozent Spielraum für höhere Auszahlungswerte. Man kann natürlich auch die Straßen mit Plakaten vollkleistern, ohne zu wissen, was dabei herumkommt. Aber das ist doch ineffizient. Viel sinnvoller ist es, potenziellen Kunden individualisierte Angebote in dem Moment anzuzeigen, indem sie Geld erhalten. Wir machen 100 Prozent Performance Marketing, in einem für unsere Partner sehr lukrativen Moment, nämlich dann, wenn Menschen Kaufkraft haben.

Oliver Oster: Außerdem muss der Händler für jeden Euro, der mit einem Einkaufsgutschein bezahlt wird, keine Kosten mehr an einen anderen Payment-Service-Provider – wie zum Beispiel Paypal – bezahlen.

Und welche Unternehmen versucht Ihr hauptsächlich als Auszahler zu gewinnen?

Marcus Börner: Versicherungen, Energieversorger, E-Commerce und Banken – das sind hauptsächlich unsere Kunden. Am Ende ist aber eigentlich fast jedes Unternehmen ein potenzieller Kunde: Wir prozessieren schließlich auch Gehaltszahlungen. Jegliche Liquiditätsströme, die von einem Unternehmen zu einer Privatperson gehen, sind prädestiniert dafür, von uns optimiert zu werden.

Gerade im Fall von Gehältern: Gibt es da keine steuerrechtlichen Probleme?

Oliver Oster: Wir leiten nur Nettolöhne und keine Bruttolöhne weiter. Somit wurden schon die gesamten Lohnnebenkosten abgeführt. Das ist eine klassische Lohnverwendung. Genau so, als würde man in einem Geschäft – off- oder online – etwas kaufen.

„WIR HABEN PARTNER, DIE MACHEN AUS 20 EURO EINEN GEGENWERT VON 40 EURO“

Wo liegt für die Auszahler der Geldbeträge der Vorteil, mit Euch zusammenzuarbeiten?

Oliver Oster: Kannst du dich noch an die Zeit erinnern, als du Geld von deiner Oma erhalten hast? Mit dem Geld bist du dann in einen Laden und hast dir etwas gekauft. Und was du dir da gekauft hast, war noch immer mit Oma verbunden. So ähnlich ist das bei uns auch. Dieser Auszahlungsmoment ist ja durchaus sehr positiv und wurde vor Optiopay nicht zelebriert. Indem Auszahlungen über uns zu einer bewussten Entscheidung werden, verbindet der Kunde dieses Gefühl mit dem Auszahler. So erhöht man Kundenbindung und die Weiterempfehlungsrate.

Marcus Börner: Wir sagen: Es ist doch verschenktes Potenzial, das Geld einfach auf ein Bankkonto zu überweisen. Du musst den Kunden fragen, wie er sein Geld bekommen will. Man muss eine Erfahrung daraus machen und wir können die bieten, indem wir die komplette Abwicklung der Auszahlungen übernehmen. Wir kontaktieren den Zahlungsempfänger im Namen des auszahlenden Unternehmens. Wir stellen das Interface und die Technologien zur Verfügung, um die Auszahlungsoptionen anzubieten und zu verarbeiten. Und wir liefern auch die Einkaufsgutscheine und steuern die Zahlungsströme. Innerhalb dieses professionellen Auszahlungsprozesses senken wir durch automatisierte Datenerhebung Kosten für das auszahlende Unternehmen, machen die Zahlungsempfänger messbar glücklicher, helfen dem Unternehmen in Sachen Digitalisierung und schaffen Vorsprung vor der Konkurrenz – ein klarer Wettbewerbsvorteil.

Oliver Oster: Außerdem haben die auszahlenden Unternehmen die Möglichkeit, ihre eigenen Einkaufsgutscheine als Auszahlungsoption anzubieten. Das ist besonders für Händler mit Retouren interessant.

Und Optiopay bekommt eine Provision.

Marcus Börner: Genau. Wir bekommen eine Rückvergütung – allerdings von Seiten der Anbieter von Auszahlungsoptionen. Das heißt: Alle Marken, die bei uns gelistet sind, zahlen erfolgsbasiert eine Provision. Wir sind für unsere Anbieter von Auszahlungsoptionen Liquiditätshändler! Du kaufst nicht Reichweite, nicht Klicks. Du kaufst Umsatz, das ultimative Werbeziel.

Oliver Oster: Im Endeffekt sind wir ein Outsourcing- und Technologieanbieter für Auszahlungen.

Und doch ist für eine Zusammenarbeit ein gesundes Maß an Vertrauen erforderlich. Stichwort: Kundendaten.

Oliver Oster: Wir haben strenge datenschutzrechtliche und sicherheitsspezische Anforderungen. Auf dieses Thema legen wir sehr viel Wert und haben für diese Bereiche Spezialisten im Team. Das ist auch nötig, damit wir die Anforderungen von Versicherungen, Banken und Energieversorgern erfüllen können.

Ihr habt die Commerzbank als Partner mit im Boot. Wie wirkt sich das aus?

Marcus Börner: Ja, die Commerzbank ist als Seed-Investor bei uns eingestiegen. Und am Anfang waren wir auch tatsächlich sehr kritisch und haben lange diskutiert. Wir hatten die Befürchtung, dass das Investment einer Bank uns ausbremsen könnte und es zahlreiche Interessenskon ikte gibt. Aber zum Glück ist all das nicht eingetreten. Wir konnten innerhalb der Commerzbank gute Geschäfte abschließen, und sie hat uns auch selbst als Bank gedient. Es gibt auch keine Verpflichtungen oder Rechte, die ein Corporate-Interesse der Commerzbank sichern.

Oliver Oster: Durch das Investment der Commerzbank haben wir – im Gegensatz zu unseren ersten Befürchtungen – sogar einen Vertrauensvorschuss der anderen Banken festgestellt.

Marcus Börner: Mittlerweile haben wir auch einen internationalen Versicherungskonzern als Investor gewonnen. Und eine portugiesische Bank. Wir machen das, weil wir wissen, dass diese Unternehmen keinerlei strategische Interessen verfolgen – sondern uns dieses Geschäft aufbauen lassen.

Ausblick aus dem 30. Stock der Trepotowers: „Entscheidend, dass wir eine Umgebung haben, in der sich jeder wohl fühlt.“ (Foto: Jann Venherm)

Ihr habt insgesamt mehr als elf Millionen Euro eingesammelt. Was sind die Herausforderungen, vor denen Ihr gerade steht?

Marcus Börner: Wir haben eine relativ ordentliche Finanzierung abgeschlossen. Und durch die haben wir jetzt genug Airtime, um uns auf operative Herausforderungen zu konzentrieren. Die größte davon ist sicherlich, noch mehr Auszahler an Bord zu holen. Der Versicherungsmarkt, Energieversorger und Banken sind ganz wichtig für uns.

Haben es weitere Investoren auf Grund Eures Polsters derzeit schwer bei Euch?

Oliver Oster: Sagen wir es so: Wir sind gerade nicht auf der Suche. Aber… (lacht)

Marcus Börner: Man muss immer bereit sein zu raisen. Das ist meine Empfehlung an andere: Wenn du ein Geschäftsmodell aufbaust, das Kapital verzehrt, sammle Geld ein, auch wenn du es momentan nicht brauchst. Du triffst schlechte Entscheidungen immer dann, wenn du mit dem Rücken zur Wand stehst.

Wo seht Ihr Gefahren?

Marcus Börner: Wir brauchen viele gute Leute, die Impact haben, die das Unternehmen formen und bereit sind, für wichtige Dinge Verantwortung zu übernehmen. Die zu finden, stellt immer eine Herausforderung dar. Ein anderes großes Thema ist die Skalierung: Du baust ja nicht gleich eine Rakete, die bis zum Mars fliegen kann. Sondern eine, die zunächst einmal überhaupt startet. Du musst dich immer wieder neu erfinden und am Produkt feilen. Die üblichen Dinge, die man sehr gut mit seinem Wachstum koordinieren muss.

Warum veröffentlicht Ihr keine Zahlen?

Oliver Oster: Wir haben derzeit noch keinen Grund dafür gesehen. Aber wir wachsen und sind damit sehr zufrieden – das Momentum ist gerade auf unserer Seite.

Beste Voraussetzungen für einen Exit.

Marcus Börner: Wir haben so viel Passion, das Unternehmen aufzubauen, dass wir darüber nicht wirkich nachdenken. Aber sicherlich gibt es sehr viele Player, für die wir interessant sein könnten.

Oliver Oster:: Ich sehe uns momentan voll auf Kurs – und habe daher kein Bedürfnis irgendetwas zu verändern.

Das Gespräch führte Jan Thomas

HÖHER GEHT‘S NICHT

Optiopay hat einen außergewöhnlichen Firmensitz, und zwar in der obersten Etage (30.) der Treptowers, dem mit 127,5 Metern höchsten Bürogeböude Berlins – ein für die Startup- Szene in Berlin eher untypischer Arbeitsplatz. „Für uns ist es entscheidend, dass wir eine Umgebung haben, in der sich jeder wohl fühlt“, sagt Marcus Börner: „Auf der einen Seite unsere Mitarbeiter, für die wir einen produktive Athmosphäre geschaffen haben. Und außerdem ist es beim Recruitment ein großer Vorteil, wenn man einen zentralen Sitz hat und nicht außerhalb von Berlin liegt.“ Auf der anderen Seite gibt er auch unumwunden zu: Für Kundengeschäfte ist der Sitz in den Treptowers auch nicht von Nachteil: „Das ganze Gebäude hat sicherlich auch eine repräsentative Funktion.“

MARCUS BÖRNER UND OLIVER OSTER

Marcus (l.), CEO von Optiopay, hat bereits mit 17 die Re-Commerce-Firma Rebuy gegründet und rund 40 Millionen Euro bei Investoren eingesammelt. Oliver (r.) ist COO und bringt seine Erfahrung als niedergelassener Anwalt und Gründer von Feedback Fabrik in das Unternehmen ein. Er ist Autor verschiedener juristischer Publikationen.

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