Fahrradmarkt
Vor ungefähr 200 Jahren setzte sich der Erfinder des Fahrrads zum ersten Mal in den Sattel. Doch es sollte nicht bei dieser einen Revolution bleiben, denn abgesehen von den beiden Rädern, die den Fahrer voranbringen hat sich so gut wie alles am herkömmlichen Modell verändert – noch ist kein Ende in Sicht. Der Fahrradmarkt startet durch.
Radfahren macht glücklich
Es kann so einfach sein, die Welt ein wenig besser zu machen, wenn man nur ordentlich in die Pedale tritt. Das Fahrrad als umweltfreundlichstes Verkehrsmittel ist nicht nur emissionsfrei, sondern auch noch gesundheitsfördernd, kostengünstig aber trotzdem effizient. Laut Zukunftsforscher Matthias Horx ist das Fahrrad ein Megatrend, dessen Schnittmenge gleich in vier Trends liegt: „Erstens steigt die Nachfrage nach umweltfreundlichen Verkehrslösungen. Zweitens der Gesundheitstrend. Drittens der Holy-Tech-Trend: Neue, elegante Designlösungen machen Fahrräder ästhetisch und technisch anspruchsvoll. Und viertens: Convenience 2.0. In der verdichteten Großstadt sind Fahrräder einfach praktisch.“ Tatsächlich würde man pro Jahr durchschnittlich 350 Kilo Emissionen einsparen, wenn man jeden Tag mit dem Rad zur Arbeit fahren würde anstatt mit dem Auto – und das bei einem Weg unter fünf Kilometern. Laut WHO reicht diese Strecke täglich außerdem, um das Risiko von Herz und Kreislauferkrankungen um 50 Prozent zu senken. Radfahren ist gesund, baut Stress ab und macht glücklich.
Bessere Infrastruktur nötig
Ganz so stressfrei, wie man es sich wünscht, ist das Radfahren leider noch nicht. Trotz des stärker werdenden Trends zum Radfahren scheitern die deutschen Städte daran, die nötige Infrastruktur bereitzustellen. Im Gegensatz zu Fahrradmetropolen wie Kopenhagen oder Wien sind deutsche Radwege teils zu gefährlich. In Berlin beispielsweise sorgt nicht nur das Kopfsteinpflaster für Kopfschmerzen, sondern auch die engen und ungesicherten Radwege. Fahrradfahrer werden oft geschnitten, dazu werden Radwege als zusätzliche Parkmöglichkeit angesehen, weswegen Radfahrer oft auf die Straße ausweichen müssen. Hinzu kommt die hohe Diebstahlquote bei Fahrrädern. 2016 wurden in Berlin über 34.000 Räder gestohlen. Während die Dunkelziffer sicher noch höher ist, liegt die Aufklärungsquote bei mickrigen 3,5 Prozent. Dabei gibt es Lösungsmöglichkeiten: So plant die niederländische Stadt Utrecht das größte Fahrradparkhaus der Welt, welches bis 2018 12.500 Fahrräder beherbergen soll. Auch in Berlin soll bis 2020 am Zehlendorfer S-Bahnhof ein Doppelstockparkhaus für Zweiräder stehen. Und im neuseeländischen Christchurch belohnt ein Geschäftsführer seine Mitarbeiter sogar mit fünf Dollar, wenn sie mit dem Rad zur Arbeit kommen.
Statussymbol Rad
Längst ist das Rad auch Statussymbol. „Früher hat man seinen Mercedes-Schlüssel auf den Tisch gelegt, während man heute sein schickes Fahrrad mit in den Meetingraum nimmt”, erklärt etwa Fahrradaktivist Heinrich Strößenreuther im Interview. Ähnlich verhält es sich mit teuren Gadgets. Kein Wunder, denn die Startups dieser Branche überschlagen sich mit Ideen und Innovationen für den Fahrradmarkt. Sie alle wollen das Rad neu erfinden. Dazu wird nicht nur mit Material experimentiert, etwa mit Titan oder nachhaltigem Bambus. Das Startup Bowbike glaubt daran, dass der Rahmen eines futuristischen Rads bogenförmig sein sollte. Das spare Gewicht und verbessere die Zugkräfte. Dabei wird auch die Körperhaltung der Radfahrer hinterfragt. Ebenfalls noch nicht ausgereift ist der Antrieb, findet das Startup Möve aus Mühlhausen, das einen Antrieb erfunden hat, der die Tretleistung um 33 Prozent steigert. Das junge Unternehmen Cobi entwickelte das erste smarte Verbindungssystem zwischen Mobiltelefon und Rad, inklusive Navi, Alarmanlage und automatisiertem Lichtsystem. Neben dem großen Ganzen werden aber auch Einzelteile wie Reifen und Schläuche revolutioniert. Schluss mit Pannen und lästigem Schläuche-Flicken! Beim Design geht der Trend hin zu mehr Individualität. Designyourbike hat dies gleich zum Businessmodell gemacht.
Fahrradmarkt für Lieferdienste
Erste Unternehmen machen sich die Vorteile des Fahrrads ebenfalls zunutze. Lieferketten wie Deliveroo und Foodora liefern ausschließlich auf Rädern aus - und auch die Berlin Valley wird im Berliner Stadtbereich von den Velogista-Kurieren per Elektro-Lastenrad ausgeliefert. Der Grund: Auf kurzen Strecken sind die Radkuriere nicht nur günstiger sondern auch schneller. Während das Münchner Same-Day-Delivery-Startup Tiramizoo mittlerweile doch auch Autos einsetzt, sendet Zalando seine Pakete mit dem Berliner Startup Hoard. Und auch Amazon schickt ausschließlich Radkuriere, wenn Prime Kunden innerhalb einer Stunde beliefert werden wollen. Allerdings auch nur dann. Diese Zahl würde steigen, so Strößenreuther, wenn Lieferdienste sich tatsächlich an die Straßenverkehrsordnung halten und nicht in zweiter Reihe parken würden. Ein weiteres großes Geschäftsfeld ist die Sharing Economy. Hier erleben wir derzeit eine Invasion von Fahrrädern. Neben der Deutschen Bahn mit Lidl und Nextbike drängen jetzt auch asiatische Anbieter auf den Markt. Aber auch kleine Startups erfinden neue Modelle und Konzepte, häufig getrieben von unglaublichem Enthusiasmus. Leider läuft es nicht immer reibungslos.
Verkehrsmittel der Zukunft
Viele Startups verschwinden so schnell wie sie gekommen sind. Der Fahrradmarkt ist überladen und entwickelt sich in hoher Geschwindigkeit. Eine Hürde für die Startups liegt in der Tatsache, dass technik-basierte Innovationen eine lange, kostenintensive Anlaufphase haben. Das führt dazu, dass manche Startup-Unternehmer mit Hightech-Produkten wie das smarte Fahrradschloss 8lock oder das Designer-E-Bike Freygeist trotz Raketenstart eine Bruchlandung erleben. Anderen Startup wie beispielsweise fahrrad.de ist es gelungen, ein erfolgreiches Online-Geschäft aufzubauen. Und das, obwohl Kunden ein verhältnismäßig teures und individuelles Verkehrsmittel gerne vorher testen würden. Der Fahrradmarkt ist in Bewegung und entwickelt sich rasant. Im Vergleich zu 34.000 Elektroautos wurden im vergangenen Jahr laut Statista 720.000 E-Bikes verkauft. Und das obwohl Produktion und Verkauf von E-Bikes im Gegensatz zu elektronischen Autos nicht einmal staatlich gefördert wird. Von Seiten der Politik gibt es also noch einige Weichen zu stellen, um den Weg frei zu machen für das Rad als das Verkehrsmittel der Zukunft. Bedarf, Ideen und Lösungsvorschläge gibt es genug. In den kommenden Tagen stellen wir eine spannende Auswahl von aktuellen Wettbewerbern auf dem Fahrradmarkt vor.
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