Im Interview

Die Gründer von Coffee Circle

10/12/2015
header image

Coffee Circle: Vom Unternehmensberater zum Social Entrepreneur

Martin und Robert, Ihr habt bei einer Unternehmensberatung gearbeitet. Wie kam es zu Eurer Entscheidung, ein soziales Unternehmen zu gründen und Kaffee zu verkaufen?

MARTIN ELWERT: Uns war klar, dass wir irgendwann etwas Eigenes machen wollen. Moritz, unser Mitgründer, nahm sich 2009 eine Auszeit, um seinem Bruder bei einem gemeinnützigen Projekt in Äthiopien zu unterstützen, bei dem es um den Bau eines Colleges für Waisenmädchen ging, und ich bin mitgefahren. Vor Ort fiel mir dann ein Artikel in die Hände, dass die Zölle auf gerösteten Kaffee in Europa wegfallen. Das war die Initialzündung, sich überhaupt mit Kaffee zu beschäftigen. Dass es idiotisch ist, den Kaffee bereits in Äthiopien zu rösten, das haben wir erst hinterher herausgefunden.
Robert: Aufgrund der Erfahrungen in Äthiopien war von Anfang an klar, dass wir unser Geschäftsmodell mit einer sozialen Wirkung verknüpfen wollen. Der Bedarf in Äthiopien ist einfach sehr groß. Ein weiteres Bewegmotiv war, wie mit Kaffee gehandelt wird, nämlich anonym und marktgetrieben über die Börse. Dabei geht das auch anders. Wir haben dann sehr viel recherchiert und jede einzelne Studie hat geschrien: ‚Macht das nicht!‘ Es war am Ende eine Bauchentscheidung, es trotzdem zu tun.

Wart Ihr schon vor Coffee Circle kaffeeverrückt?

ROBERT RUDNICK: Da Filterkaffee so schlecht geschmeckt hat, habe ich vor Coffee Circle nur Espresso getrunken und den auch nur im Restaurant. Ansonsten war ich Teetrinker. Für mich war es wirklich der Kaffee, den Martin und Moritz aus Äthiopien mitgebracht haben. Der schmeckte so gut, dass ich wirklich an das Geschäftsmodell geglaubt habe.

Ein Euro pro Kilogramm verkauften Kaffee geht an soziale Projekte vor Ort. Wie seid Ihr auf dieses Modell gekommen?

MARTIN ELWERT: Wir haben uns zunächst die Siegel angeschaut und dann bewusst dagegen entschieden. Dieses Kreislaufmodell, das wir uns ausgedacht haben, ist ja mehr als nur: Ein Euro pro Kilogramm fließt in irgendein Projekt. Die Idee hinter Coffee Circle ist, mit dem Geld einen möglichst großen Nutzen zu schaffen, und zwar direkt vor Ort bei den Kaffeebauern. Dadurch wollen wir die Motivation der Kaffeebauern zusätzlich steigern, beim Anbau auf Qualität zu setzen.

Inwiefern?

ROBERT RUDNICK: Wir hätten sagen können: Wir geben den Euro pro Kilogramm an eine Entwicklungshilfeorganisation, die das Geld zwar auch in Äthiopien, aber in irgendeiner Region investiert. Uns fehlte dabei aber der ökonomische Anreiz. Wir wollten den Kaffeebauern vermitteln: Wenn ich etwas tue, dann kommt da auch was bei raus, und zwar mehr als nur ein guter Preis für den Kaffee.

MARTIN ELWERT: Es gibt zwei Szenarien: Entweder eine Hilfsorganisation setzt dir eine Schule hin, weil du so arm bist, oder aber es wird eine Schule gebaut, von der die Menschen sagen können, dass sie sie sich selbst erarbeitet haben. Das sind grundsätzlich verschiedene Ansätze. Es ist einfach würdevoll, sich etwas zu verdienen.

Wer entscheidet, welche Projekte umgesetzt werden?

ROBERT RUDNICK: Wir setzen uns für jedes neue Projekt mit den Bewohnern zusammen und sprechen darüber, was die größten Probleme in der Community sind. Meistens ist es sauberes Wasser, vor allem wenn man mit den Frauen spricht.

Und wenn man mit den Männern spricht?

ROBERT RUDNICK: Da kommt es vor, dass eher Mopeds gebraucht werden. Das liegt daran, dass Frauen für das Wasserholen zuständig sind. Deshalb sprechen wir neben dem Kooperativen-Beirat, der meist nur aus Männern besteht, auch mit Lehrern und Frauen. Und das zweite sind eben Schulen, von denen es zu wenige gibt.

Was waren Eure Learnings bei den Projekten?

MARTIN ELWERT: Das erste Projekt war ein Brunnen, den wir neben eine Schule haben bauen lassen. Der Gedanke war: Die Schüler brauchen sauberes Wasser, dann kommen sie auch gern zur Schule. Und die Eltern schicken sie zur Schule, weil sie anschließend Wasser mitbringen. Der Brunnen versiegte aber nach einem halben Jahr. Wir haben dann herausgefunden, dass der Wasserexperte der Regierung, den wir dafür beauftragt hatten, gar nicht wusste, was er tat. Trial and Error war also schon dabei.

Was ist aus den bisherigen Projekten von Coffee Circle geworden?

MARTIN ELWERT: Die Schule, die wir vor zwei Jahren gebaut haben, war ursprünglich als Grundschule angelegt. Die Leute vor Ort setzen sich dafür ein, dass die Regierung mehr Lehrer zur Verfügung stellt. Dadurch geht sie inzwischen bis zur siebten Klasse. Die ersten Schüler gehen nun in weiterführende Schulen in die Städte. Daran zeigt sich der Impact unserer Projekte.

Euer aktuelles Projekt macht Ihr gemeinsam mit der Welthungerhilfe. Wie kam es dazu?

ROBERT RUDNICK: Wir wollen künftig 45.000 Menschen mit sauberem Wasser versorgen. Für diese Dimension brauchten wir einen Partner. Die Welthungerhilfe hat uns ein eigenes Team zur Verfügung gestellt, das vor Ort nur an unserem Projekt arbeitet. Das ist schon toll!

Ihr zahlt faire Preise an die Kaffeebauern, führt Geld vom Umsatz ab, und gleichzeitig darf das Produkt nicht zu teuer für den Kunden sein. War der Start für Euch dadurch schwieriger?

MARTIN ELWERT: Ein Euro pro Kilogramm ist recht viel, vor allem am Anfang, und wir haben ihn auch wirklich von Anfang an bezahlt. Es gibt viele Modelle, die sagen: Wir geben einen Prozentsatz vom Gewinn ab. Aber in den ersten Jahren machst du ja keinen. Coffee Circle ist erst jetzt, nach fünf Jahren, profitabel geworden und wir haben trotzdem schon 150.000 Euro in Projekte gesteckt.

Coffee Circle wirbt mit nachhaltig angebautem Kaffee und fairen Bedingungen. Entsprechende Siegel wie Fairtrade habt Ihr nicht. Warum nicht?

MARTIN ELWERT: Wir haben in zwei, drei Kooperativen ein Biosiegel eingeführt und die Initialkosten dafür bezahlt. Die Hoffnung war, dass die internationalen Premium-Kaffeekäufer dieses Biosiegel wertschätzen und ebenfalls dafür bezahlen. Der Anbau hat sich dadurch nicht geändert, der war bereits biologisch. Wir waren aber die einzigen, die für die Zertifizierung bezahlt haben. Die amerikanischen Einkäufer von Spezialitätenkaffee legen auf solche Siegel keinen Wert. Daraufhin haben die Kaffeebauern ihren Kaffee nicht wieder zertifizieren lassen.

Wie groß ist der Druck, seine Produkte mit einem Fair-Trade- oder Bio-Siegel zu versehen?

MARTIN ELWERT: Bio-Supermärkte nehmen uns wegen der fehlenden Siegel nicht in ihr Sortiment auf, obwohl unser Kaffee bio ist. Auch auf Messen sind wir nicht zugelassen worden, weil wir kein Fair-Trade-Siegel haben. Das ist eine Denke der 80er- und 90er-Jahre. Das Dilemma an einem solchen Siegel ist, dass es eigentlich versuchen müsste, sich abzuschaffen, indem es faire Bedingungen implementiert. Aber die Krux ist ja, dass die sich natürlich nicht abschaffen wollen, weil es ja auch ein Geschäftsmodell ist.

Was sagen die Siegel über die Qualität aus?

MARTIN ELWERT: Nichts, da die Qualität des Produktes bei den Siegeln nicht im Vordergrund steht. Die Prämien werden bezahlt, weil die Kriterien dafür eingehalten werden, und nicht, weil der Kaffee gut schmeckt. Hat eine Kooperative beispielsweise 100 Tonnen Kaffee, von denen 30 Prozent eine richtig gute Qualität haben, ist klar: Der gute Kaffee geht an denjenigen, der viel zahlt, aber keine Zertifizierung will. Und der Rest geht an diejenigen, die für ein Fair-Trade-Siegel bezahlen wollen.

Wann war der Moment, als Ihr gemerkt habt, dass Euer Geschäftsmodell aufgeht?

ROBERT RUDNICK: Ich weiß nicht, ob man sagen kann, dass das Geschäftsmodell, wie wir uns das ursprünglich ausgedacht hatten, aufgegangen ist. Wir wissen eigentlich jetzt erst, was wir tun. Das liegt daran, dass wir bei Coffee Circle mehr Komponenten haben als beispielsweise E-Commerce-Plattformen, die einfach nur online verkaufen. Wir sind dagegen voll integriert und rösten ab nächstem Jahr den Kaffee bei uns im Haus. Der Vorteil ist, dass wir dadurch nicht so leicht ersetzbar sind wie ein gewöhnlicher Online-Handel.

Was würdet Ihr anderen Gründern empfehlen, die überlegen, ein Social Business aufzuziehen?

MARTIN ELWERT: Als allererstes muss man sich davon lösen, dass die Leute einen kaufen, nur weil man sozial ist. Diese Fehlwahrnehmung sehe ich bei fast allen Social Entrepreneurs. Die Welt schenkt einem nichts. Es ist sehr wichtig, gute Werte und eine sehr gute Story zu haben. Wenn der Sozialaspekt in der Story drin ist, hilft das der Vermarktung. Aber es feit einen nicht davor, dass der Kunde nicht doch zum günstigen Kaffee greift. Deshalb muss man sich bewusst sein, dass es noch viel härter wird, ob es jetzt um die Vermarktung des Produktes geht oder die Finanzierung. Welcher VC findet es schon geil, dass man einen Euro pro Kilogramm vom Umsatz abgibt?

Ihr habt trotzdem ein gutes halbes Jahr nach Eurem Start Tengelmann Ventures für Euch gewonnen.

ROBERT RUDNICK: Die fanden unseren Ansatz gut. Die Familie Haub machte uns glaubhaft, dass sie einen längeren Atem hat als Fonds und nicht nach drei Jahren um einen Exit ringt.

Strebt Ihr mit Coffee Circle einen Exit an?

ROBERT RUDNICK: Der Markt für Spezialitätenkaffee hat sich erst über die letzten Jahre entwickelt. In den USA, die uns ein paar Jahre voraus sind, hat es jetzt erste Exits gegeben. Unsere Chance steht also nicht schlecht, diesen Markt in Europa zu besetzen und einen Exit hinzulegen. Aber ich denke immer gern in Exits für unsere Gesellschafter, nicht für uns Gründer. Ich kann mir vorstellen, das noch sehr lange zu machen. Allein in Deutschland ist der Markt vier Milliarden Euro schwer. Die Großen können aber diese Qualität von Kaffee nicht.

Wobei die meisten Kaffeetrinker in Deutschland an den bitteren Geschmack des Kaffees gewöhnt sind.

MARTIN ELWERT: Ja, aber das ändert sich. Kaffee ist noch ein Eckprodukt im Supermarkt. Die Preissensibilität bei Kaffee ist höher als bei Butter oder Zucker. Kein Wunder, dass wir bei Kaffee eine ganz miese Qualität haben. Der bittere Geschmack ist ja keineswegs normal, sondern Resultat billiger Röstung und minderwertiger Kaffeebohnen. Wenn der Kunde denkt, für sechs Euro pro Pfund bekomme er den besten Kaffee der Welt und der bittere Geschmack sei normal, dann hat der Kaffeeanbieter ein Glaubwürdigkeitsproblem, wenn er sagt: ‚Das ist gar kein Spitzenprodukt, guter Kaffee kostet nämlich doch 15 Euro das Pfund.‘

Wie wird der Kaffeemarkt in Zukunft aussehen?

MARTIN ELWERT: Die Leute lernen allmählich, dass Kaffee unterschiedlich schmeckt, je nach Anbaugebiet und Röstung. Kaffee hat doppelt so viele Aromen wie Wein, und von dem gab es vor 40 Jahren auch nicht diese Riesenauswahl im Supermarkt wie heute.

Das Gespräch führte Marisa Strobel.

SI Logo