Alles begann mit einer simplen Idee auf dem Weg zum Badesee: die Revolution der Haferflocke. Körnerfreunde sollten sich ihr liebstes Biomüsli individuell online zusammenstellen können. Geld für PR und Marketing hatten die Gründer von Mymuesli Hubertus Bessau, Philipp Kraiss und Max Wittrock nicht. Doch sie trotzten den anfänglichen Skeptikern und erzählten einigen Bloggern vom geplanten Startup. Das Ergebnis: Nach dem Start der Website im April 2007 schrieben einige über Mymuesli und das Studenten-Startup landete in zehn Tagen auf Platz eins der Google-Suche für „Müsli“. Immer mehr Magazine, Zeitungen, Radio- und TV-Sender wollten über das Startup aus Passau berichten. Der Rest ist eine wahre Erfolgsgeschichte.
Ohne Budget zum Erfolg: Die Mymuesli-Gründer Philipp Kraiss, Max Wittrock und Hubertus Bessau (v. l.) haben vor dem Launch ihrer Website einfach ein paar Blogger angesprochen (Bild: Mymuesli / Viktor Strasse)
„Die Kommunikation mit Journalisten und Bloggern kann entscheidend für den Erfolg des Produkts sein“
Zugegeben, das ist ein Glücksfall. Auch schafft es nicht jeder Gründer mit seinem Unternehmen in Sendungen wie Die Höhle der Löwen, deren Twitter-Hashtag #dhdl regelmäßig toptrendig ist und PR zum Selbstläufer macht. Deshalb ist es für Gründer wichtig, mithilfe richtiger Pressearbeit auf ihr Unternehmen aufmerksam zu machen. Die Kommunikation mit Journalisten und Bloggern kann entscheidend für den Erfolg des Produkts sein.
Was kann gute Pressearbeit?
Obwohl die Begriffe häufig in einem Atemzug genannt werden, gibt es einen Unterschied zwischen PR und Marketing. Kurz gesagt: Mit Marketing wirbt ein Unternehmen selbst für ein Produkt, bei PR berichtet die Presse als neutraler Beobachter über das Unternehmen und seine Produkte. Im Wesentlichen geht es bei beiden darum, die Akzeptanz und die öffentliche Wahrnehmung zu der Firma positiv zu gestalten. Doch mit Werbung geht man den direkten Weg zum Verbraucher, während Pressearbeit eher die – noch dazu augenscheinlich neutrale – Empfehlung eines Dritten darstellt. Und Letztem schenken Menschen immer noch mehr Zuwendung und Vertrauen.
„Bei der PR geht es vor allem darum, was Menschen über dein Unternehmen und dich als Person denken sollen“
„Die Frage ist: Was möchte man mit seinem Unternehmen erreichen?“, sagt Sachar Klein, Agentur-Chef von Hypr, zu Berlin Valley. „Geht es um einen kurzfristigen Abverkauf, ist Performance Marketing sicher der effizientere und bessere Weg. Wenn es aber darum geht, eine Marke, ein Unternehmen mit einer Vision aufzubauen, kommt man nicht an PR vorbei.“ Viele denken, dass es bei der PR darum geht, Menschen von der eigenen Unternehmung erfahren zu lassen. „Aber das ist nur die eine Seite der Medaille, das kann Werbung auch. Bei der PR geht es vor allem darum, was Menschen über dein Unternehmen und dich als Person denken sollen.“ Doch eines vorweg: PR ist weder Ersatz für ein großartiges Produkt noch eine Garantie für Verkäufe. „Was PR aber gut kann, ist, deinen Namen da draußen bekannt zu machen und zu zeigen, was dein Produkt gut macht“, sagt die US-amerikanische Kommunikationsberaterin Lindsey Green.
„Zahlen und Fakten werden von der Presse gerne wiedergegeben“
Sympathien gewinnen
Jedes Unternehmen steckt sich Ziele. Diese gelten auch als Orientierung für die Kommunikation. Zahlen und Fakten parat zu haben, ist essenziell. Und: Zahlen und Fakten werden von der Presse gerne wiedergegeben. Noch wichtiger ist es für Gründer aber, die Kernbotschaft des Unternehmens in einer spannenden Geschichte zu erzählen und damit Emotionen zu wecken. Das Stichwort ist Storytelling. Das wusste auch schon Apple Gründer Steve Jobs: „Wer wird am Ende gewinnen? Es ist derjenige, der die beste Geschichte erzählt.“
„Was immer hilft, sind die sympathischen Gesichter hinter dem Startup. Geschichten lassen sich nur über Menschen erzählen und viele Startups machen den Fehler, mit technischen Details überzeugen zu wollen. Das klappt im ersten Schritt nur selten“, erklärt Martin Gardt von Online Marketing Rockstars. Wichtige Fragen, die es zu klären gilt, wären also: Wie kam es zur Idee und Gründung des Startups? Wer steckt hinter dem Team? Was kann das Produkt und welches gesellschaftliche Problem löst es? Einige Anekdoten, die diese Fragen kreativ beantworten, können die perfekte Unterhaltung für die Leserschaft des Journalisten liefern.
Gute Startup-PR ist wie ein erfolgreicher Pitch. „Entscheidend sind im ersten Schritt oft die Vision und die Story der Macher. Gleichzeitig muss auch um das Produkt eine Erzählung geschaffen werden, die neugierig macht“, sagt Gardt zusammenfassend.
„Pressefrühstücke sind gern gesehene Abwechslungen im Alltag“
Aller Anfang ist Networking
Am Anfang steht der Aufbau persönlicher Kontakte zu Journalisten, die für den jeweiligen Bereich bedeutend sind. Eine Handvoll heraussuchen, Nummern austauschen, regelmäßig zum lockeren persönlichen Gespräch treffen. So wissen die Journalisten, wer hinter dem Unternehmen steckt, und können sich bei Bedarf direkt melden
„Pressefrühstücke sind gern gesehene Abwechslungen im Alltag“, weiß Charlotte Erdmann, Geschäftsführerin der Kommunikationsagentur Solokarpfen. „Aber die wenigsten Journalisten haben dafür noch Zeit. Deshalb lieber die Journalisten dort ansprechen, wo sie sich sowieso aufhalten, und sie auf Konferenzen, Tagungen oder Messen zum persönlichen Gespräch einladen.“ „Ein Netzwerk basiert in erster Linie auf Vertrauen“, sagt Sachar Klein. „Vertrauen entsteht nicht über Nacht. Das bedeutet, dass man viel Zeit investieren muss, um das Vertrauen von relevanten Personen zu gewinnen. Stichwort Vertrauen: Das entsteht am ehesten dann, wenn man Menschen etwas gibt, ohne etwas als direkte Reaktion zurückzufordern.“
Charlotte Erdmann ist Geschäftsführende Gesellschafterin der Kommunikationsagentur Solokarpfen (Bild: Charlotte Erdmann)
Spamming vermeiden
Die Pressemitteilung kann ein wichtiges Tool für das Startup sein. Doch wer Hunderte von PR-Rundmails wahllos verschickt, verliert schnell den Überblick und sammelt selten Sympathiepunkte. „Blind herausgeschickte Pressemitteilungen an E-Mail-Listen bleiben in der Regel völlig ohne Reaktion. Es bleibt Fleißarbeit ohne Erfolgsaussichten“, sagt auch Thomas Koch, Chairman der Mediaagentur TKD. Kein Redakteur hat heute die Zeit, um jede E-Mail zu lesen, die gar nicht seinem Interessengebiet oder dem seiner Leser entspricht. Im schlimmsten Fall landen die folgenden E-Mails dann im Spam-Ordner.
„Erfolg versprechender ist, man konzentriert sich auf die wichtigen Presse-Ansprechpartner und bemüht sich selbst um mehr Individualität“, sagt Koch. Es ist Gründern also anzuraten, ganz gezielt auf für das Startup relevante Magazine, Zeitungen, Journalisten und Blogger zuzugehen. Wer schreibt für wen die Artikel mit großer Reichweite? Hier lässt sich schon im engeren Branchenumfeld erfragen, welche Namen für welche Medien von Bedeutung sind. Ansonsten sind die wichtigsten Multiplikatoren auf Twitter und Co. zu finden und anzuschreiben.
Ständig weiterentwickeln
Zu guter PR gehört auch das Pflegen der eigenen Social-Media-Kanäle. Je nach Zielpublikum sind aktuell gehaltene Facebook-, Instagram- oder Twitter-Accounts (Airbnb oder auch die Deutsche Bahn machen es vor) für das Schneeballprinzip der Neuigkeiten absolut obligatorisch. Dazu gehören Fotos, Videos und die richtig gesetzten Hashtags mit weiterführenden Links. „Ganz wichtig in der PR ist auch: Nicht stehen bleiben, sondern sich ständig weiterentwickeln – besonders in puncto Online-Marketing und neue Medien“, weiß Jörg Röthlingshöfer, Chef der PR-Agentur Factum.
Herzlichen Glühstrumpf: Heute ist der Tag der schlechten Wortspiele. Aus die Maus, Tschö mit Ö! Oder was fällt euch bis morgen um 6 ein? /sy
— Deutsche Bahn Personenverkehr (@DB_Bahn) November 12, 2017
Das Worst-Case-Szenario
Tritt der Worst Case ein, muss die Krisen-PR ansetzen. Die sollte immer schon zu Beginn der PR-Arbeit in der Schublade liegen. Ihre möglichen Inhalte: eine Liste möglicher kritischer Fragen und des passenden Wordings der Antwort. Ansprechpartner zu den einzelnen Bereichen des Produkts, die auch wirklich gegenüber der Presse sprechen dürfen. Verhaltensanweisungen gegenüber der Presse, wenn es zum Shitstorm kommt. Verhaltensanweisungen an die Mitarbeiter gegenüber Nicht-Mitarbeitern. Spätestens hier empfiehlt es sich, eine erfahrene Kommunikationsagentur einzuschalten. Gut vorbereitet tritt ein Unternehmen derartigen Krisen gelassener entgegen.
Erfolg ist messbar
Der Wert und die Reichweite der Pressearbeit kann heute mit weit mehr als nur dem klassischen Pressespiegel ausgewertet werden. Die Medienbeobachtung und deren anschließende Evaluation sind ein wichtiges Instrument dafür. Mit Tools wie Google Analytics kann ein Startup gleich an mehreren Punkten seinen PR-Erfolg messen und sich in Infografiken anzeigen lassen.
Google Analytics bereitet die wichtigsten Webseiten-Daten als Infografik auf (Bild: Google)
Ob es der Traffic auf der Website, im Blog oder in der App ist, die Auswirkungen sozialer Netzwerke auf das Startup (Social Shares) oder die aktuelle Kampagnenentwicklung in Realtime: Regelmäßiges Monitoring der Nutzungsergebnisse ist für ein Startup unverzichtbar. Wird die Zahl der Kunden stetig größer, hilft es, die Kundenzufriedenheit mit Tools wie dem Net Promoter Score (NPS) zu ermitteln. Mit nur wenigen Fragen an den Kunden, den sich daraus ergebenen Punkten und einer Formel wird der relative Anteil von Fürsprechern und Kritikern des Produkts ermittelt. Die in der Marktforschung gestellte Frage, „Wie wahrscheinlich ist es, dass Sie dieses Unternehmen einem Freund oder Kollegen weiterempfehlen werden?“, kann auf die Medienberichterstattung des Startups adaptiert werden: „Wie sehr empfiehlt der Artikel mein Produkt?“ So lässt sich nach Empfehlungen und Kaufabsichten suchen.
Ein weiteres Monitoring-Tool ist Echobot, das sowohl soziale als auch klassische Medien angeht. Es kann zudem die PR-Arbeit vereinfachen, da die PR-Abteilung hier Adressen verwalten und Pressemitteilungen an einen Verteiler schicken kann.
Messbarer Erfolg: Das PR-und Marketing-Tool Echobot beobachtet Online-Medien, kümmert sich um den Pressespiegel, analysiert Influencer und erstellt E-Mail-Alerts sowie Presseberichte (Bild: Echobot)
Ubermetrics filtert das mediale Rauschen und liefert dem Kunden Informationen darüber, welche Nachrichten wirklich relevant sind. Das hilft, um Trends frühzeitig zu erkennen und die eigene Message über die richtigen Kanäle zu publizieren. Weitere Tools sind Radarly und Brandwatch.
Entscheidungshelfer: Ubermetrics misst den Erfolg von PR- und Marketing-Aktivitäten und ihren Einfluss auf das Geschäft (Bild: Ubermetrics)
Sind PR-Roboter die Zukunft?
Schon heute können Algorithmen den perfekten Zeitpunkt ermitteln, zu dem die Pressemitteilung versendet werden soll. Automatisierungstechnologien können den PR-Redakteur beim Monitoring, bei der Recherche und beim Faktencheck unterstützen und erstellen schon Textentwürfe mit Daten, die der Redakteur nur noch rund schreiben muss. Auch automatisierte Pressemitteilungen auf Grundlage von Produktdatenblättern und Quartalsberichten sind inzwischen machbar. Für eine gewisse Zeit- und Kostenersparnis ist das keine schlechte Entwicklung. Doch für die Glaubwürdigkeit eines jungen Unternehmens ist der echte Dialog zwischen Gründern und Kunden immer noch unersetzlich. Auch im kreativen und originellen Storytelling mit emotionalen Aspekten ist der Redakteur der künstlichen Intelligenz (noch) überlegen.
Wenn Pressemitteilung, dann so!
Eins vorab: Die Pressemitteilung ist nur ein PR-Tool von vielen. Fragt euch vorher, ob eure Pressemeldung notwendig ist und nicht vielleicht nur Zeit – eure und die der Journalisten – kostet. Wenn ihr den Weg gehen wollt, dann achtet auf die folgenden Punkte.*
Mach’s kurz, nutze Teaser
Die Betreffzeile und der Titel müssen ansprechend sein und neugierig machen. Deshalb sollte hier auf keinen Fall einfach nur „Pressemitteilung“ stehen, sondern die wichtigsten Schlagwörter für den Kern der Aussage. Wie beim Lesen einer Zeitung bleibt man nur bei knackigen Zeilen und Unterzeilen hängen.
Schaffe einen Überblick
Seine wir ehrlich: Die wenigsten Journalisten werden sich die Zeit nehmen, deinen kompletten Text von vorne bis hinten durchzulesen. Daher ist es wichtig, schnell klarzumachen, was wirklich wichtig ist. Ein probates Mittel: Kurze Bulletpoints – noch vor dem Beginn des eigentlichen Texts.
Tweet it
Der erste Absatz muss so prägnant und kurz sein, dass dem Leser gar nicht erst langweilig wird. Man stelle sich vor, man hat wie in einem Tweet 140 Zeichen Platz für die Nachricht. Werden darin die wichtigsten W-Fragen – Wer? Was? Wann? Wo? Wie? Womit? Woher? – beantwortet? Großartig.
Objektiv bleiben
Nach einer Orts- und Datumsmarke geht’s los: Im Hauptteil der Pressemitteilung darf man ein wenig ausführlicher werden und weiterführende Beispiele geben. Wichtig: Den roten Faden behalten und objektiv schreiben, möglicherweise mit Daten aus Studien oder einer Meinung Dritter – O-Töne sind immer gern gesehen. Der Text einer Pressemitteilung ist keine Werbung. Er muss ehrlich sein, also das Produkt nicht besser schreiben, als es ist. Trotzdem soll er das Interesse der Journalisten wecken, hierüber einen Artikel zu schreiben. Man sollte sich als Verfasser die Frage stellen: Warum ist der Sachverhalt von Bedeutung?
Stilistisch ist es wichtig, die Sätze kurz zu halten. So lässt sich der Text besser lesen. Grammatik- und Rechtschreibfehler müssen unbedingt mit mehrmaligem Korrekturlesen vermieden werden. Auch Fachsimpelei hat hier nichts zu suchen. Die Geschichte muss sich unkompliziert mit einfachen Worten wiedergeben lassen. Wie würde man den Großeltern das Produkt erklären? Genau so.
Mit qualitativ hochwertigen (zum Abdruck freigegebenen) Bildern, Videos oder weiterführenden Links wird eine Pressemitteilung informativ aufgewertet. Je mehr Fakten dem lesenden Journalisten schon zur Verfügung stehen, desto größer ist die Chance, dass er den gewünschten Artikel zum Produkt schreibt.
Wer sind wir?
Am Ende der Pressemitteilung macht sich ein kurzes Unternehmensporträt – sogenanntes Boilerplate oder Footer – gut. Allgemeine Daten zu Gründung, bisherigen Erfolgen, Namen und Unternehmensphilosophie können mit Informationen zum Kerngeschäft kurz und prägnant zusammengefasst werden. Hier gehören auch alle relevanten Kontaktdaten hin, für den Fall, dass sich der Redakteur für weiterführendes Material interessiert oder Rückfragen hat.
*Das Timing ist entscheidend. Der Mehrwert für die Adressaten muss klar sein und die PR auf Tagesaktualität setzen. Werden die Journalisten persönlich mit Namen und individuell angesprochen, umso besser. Kennt man sich bereits persönlich, wird ein „du“ statt „Sie“ gern gesehen. Und Geduld: Nach zwei Tagen schon telefonisch nachzuhaken ist äußerst unprofessionell. Lieber nach einer Woche mit einem weiteren Thema mal anklopfen.