Es gibt mehr Regionen als Berlin
Zweifellos hat Berlin in den letzten Jahren eine führende Rolle in Deutschland eingenommen. Vom hässlichen Entlein der am Leben gehaltenen Enklave ist Berlin zu einer strahlenden Metropole geworden. Im Gefolge der Regierung haben sich zahlreiche Verbände, Kanzleien und viele Unternehmen in Berlin angesiedelt. Hundertausende Arbeitsplätze gingen nach der Wende verloren, als sowohl im Osten als auch im Westen nicht wettbewerbsfähige Unternehmen auf den Weltmarkt trafen. Der ehemalige Bürgermeister Klaus Wowereit sagte Anfang des Jahres, dass gut 100.000 neue Arbeitsplätze fast unbemerkt von der Politik durch junge innovative Unternehmen – Startups – in Berlin entstanden sind. Zweifelsfrei ist Berlin das führende Zentrum für junge Unternehmen in Deutschland, vielleicht sogar in Europa geworden.
Aber es gibt mehr als Berlin. Letztlich führt die föderale Struktur in Deutschland zu mehreren Schwerpunkten – auch für das Gründungsgeschehen. Die 16 Bundesländer kann man in drei Gruppen einteilen: Da gibt es die Spitzengruppe, ein Mittelfeld und die Schlusslichter, die kaum jemals eine relevante Anzahl von Hightech-Gründungen entwickeln werden.
Bayern ist vorn mit dabei
Als ehemalige Nummer eins mit den beiden Regionen München sowie Erlangen/Nürnberg ist Bayern immer noch ganz vorne dabei. Führende Universitäten und eine sehr clevere Politik, die einen Teil der Privatisierungserlöse der damaligen Viag (heute Eon) in die Förderung und Finanzierung junger Technologieunternehmen steckte, führte zur Ansiedlung nahezu der kompletten deutschen Venture-Capital-Industrie in München. Um den dritten Platz buhlen mit Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg zwei sehr industriestarke Bundesländer. Mit dem neu formierten KIT, dem Karlsruhe Institute of Technology, aber auch rund um die Automobil- und Zulieferindustrie hat sich – unterstützt von Baden-Württemberg Connected (Bwcon) sowie staatlicher und Business-Angel-Finanzierung – eine beeindruckende Dynamik im Ländle entwickelt. Nordrhein-Westfalen profitiert sicher von unzähligen sehr guten Universitäten, viel Industrie und erstaunlich vielen Finanzierungsangeboten. Jedoch ist das Image des Ruhrgebiets, das ja nur ein Teil von Nordrhein-Westfalen ist, nicht gerade ein Magnet für hippe Gründer.
Im Mittelfeld des deutschen Gründungsgeschehens tummeln sich Regionen wie Hamburg, Sachsen, Thüringen und Hessen. Hier gibt es nennenswerte Erfolge. Vorzeigeunternehmen wie Bigpoint (in Hamburg), Novaled (in Dresden in Sachsen) und Intershop (in Jena in Thüringen) dienen als Vorbilder, haben eine lokale Business- Angel-Szene und ein Ökosystem für Neugründungen geschaffen. Es sind Cluster mit Schwerpunkten wie Gaming, Halbleiterindustrie sowie Software beziehungsweise Bildverarbeitung in den jeweili-gen Ländern entstanden. Hessen hofft auf einen Fintech-Boom. Im Mittelfeld der Regionen finden sich technologisch anspruchsvolle, ja führende Unternehmen, die die Aufmerksamkeit von nationalen, aber auch internationalen Investoren bekommen können.
In acht Ländern tut sich wenig
Bei den Schlusslichtern, immerhin acht Bundesländer, tut sich wenig. Es entstehen immer wieder einzelne relevante Gründungen. Aber die Clusterbildung, ein lokales Ökosystem, das systematisch zu einer dynamischen Gründerszene führt, ist bestenfalls nur ansatzweise vorhanden. Letztlich sind es eher strukturschwache Regionen mit sehr begrenztem Potenzial, die besten Köpfe anzulocken. Das zeigt sich in zum Teil auch noch sehr hohen Ausfallquoten: Von den zehn Unternehmen, die der High-Tech Gründerfonds bei den Schlusslichtern Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern, Bremen und Saarland seit 2005 finanziert hat, sind acht ausgefallen.
Wenn die Unternehmer der entscheidende Erfolgsfaktor für anspruchsvolle Technologiegründungen sind, dann entscheidet sich der Erfolg einer Region an ihrer Fähigkeit, die Top-Talente anzuziehen. Das können unterschiedliche Faktoren sein: Berlin ist cool, weltoffen, sehr international, glanzvoll und alternativ. Bayern bietet Berge, Seen, Top-Universitäten, zahlreiche Dax-Konzerne und die berühmte Münchner Szene. Unsere Erfahrung ist, dass (fast) jede Region über spezifische Stärken und attraktive Elemente verfügt – man muss sie entdecken, ordentlich vermarkten und letztlich darauf aufbauen.