Phil Dillard von Lean Startup:

„Man muss wissen, was man lernen will“

07/08/2016
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Phil Dillard: „Risiken mit einem systematischen Prozess verringern.“ (Foto: Change Catalyst/Youtube)

Phil, was macht einen guten Entrepreneur aus, und warum sollte er Lean Startup nutzen?

Phil Dillard: Ich glaube, es geht nicht um gute oder schlechte Entrepreneure, um gute oder schlechte Ideen. Es gibt etwas, das bestimmte Menschen antreibt, Startups zu gründen, und das ist etwas völlig anderes als die Motivation von Menschen, die gerne einen Nine-to-five-Job haben. Entrepreneure spüren, dass es einen Platz gibt, an dem sie sein sollten und gebraucht werden. Sie müssen ihn nur finden. Lean Startup hilft ihnen, diesen Platz schneller und günstiger zu finden als andere Startup-Ansätze.

Was halten Investoren von Lean Startups?

Phil Dillard:Ein Investor, der gegen Lean Startup ist, ist wie ein Forscher, der wissenschaftliche Methoden ablehnt. Die Performance von Lean Startups ist sehr genau messbar, und dadurch hat auch der Investor immer einen guten Überblick. Es gibt immer wieder Leute, die Lean-Startup-Prozesse blind einsetzen. Ich würde sagen, da liegt das Problem.

Für Lean Startups ist ein Pivot immer eine Option. Ist es schwierig, Investoren eine Kehrtwende zu kommunizieren?

Phil Dillard:Ich glaube, wenn man den richtigen Investor hat, ist es gut, über einen Pivot zu sprechen. Pivot bedeutet ja, seine Strategie zu verändern, aber an der Vision festzuhalten. Man arbeitet am gleichen Problem, wählt aber einen anderen Lösungsweg. Investoren setzen auch auf den Entrepreneur, nicht nur auf die Idee, und der Entrepreneur hat die Aufgabe herauszufinden, wie das Produkt zum Markt passt. Lean Startups machen das, indem sie Experimente durchführen und Hypothesen formulieren. Wenn ein Gründer feststellt, dass die erste Hypothese richtig ist, aber seine zweite und dritte sind falsch, dann ist es gut, das möglichst schnell herauszufinden. Dann hat er die Chance, die Strategie anzupassen und besser Umsatz zu machen. Den Investoren kann man erklären, dass man das mit vielleicht fünf Prozent des Geldes geschafft hat – also sind noch 95 Prozent übrig, um die Firma erfolgreich zu machen. Ein Pivot ist ein gutes Zeichen, weil es bedeutet, dass der Gründer auf den Markt hört und seinen Experimenten vertraut.

„ES IST WICHTIG, MIT GUT FORMULIERTEN ANNAHMEN IN DEN PROZESS ZU GEHEN .“
– Phil Dillard

Kann es auch sein, dass die Ergebnisse eines Experimentes nicht richtig sind?

Phil Dillard:Wenn man bei einem Ergebnis skeptisch ist, kann man es zwei- oder dreimal wiederholen, um sicherzustellen, dass man das gleiche Feedback bekommt und die Nuancen des Marktes richtig deutet. Das ist ein systematischer Ansatz. Gerade das sollte Investoren übrigens zeigen, dass sie auf den richtigen Entrepreneur gesetzt haben.

Du hast angesprochen, Lean Startup werde oft blind eingesetzt. Wie meinst du das?

Phil Dillard: Wenn man den Prozess auseinandernimmt, findet man auf jeden Fall Komponenten, die oft missverstanden werden oder weiterentwickelt werden müssen. Firmen der Old Economy passen Lean Startup momentan beispielsweise immer öfter für sich an, sodass es zu ihrer Kultur und ihren Bedürfnissen passt. Um erfolgreich zu sein, reicht es nicht aus, einfach Lean Startup zu nutzen. Man muss sich viele Gedanken über die Strategie machen und herausfinden, wie genau Lean Startup zum eigenen Produkt und zu den eigenen Zielen passt. Das ist ein wichtiger Schritt zum Erfolg. Wer wild anfängt zu experimentieren, Tonnen von Daten sammelt und darauf wartet, dass diese Daten ihm sagen, was er zu tun hat, macht etwas falsch. Man muss mit gut formulierten Annahmen in den Prozess gehen und vorher wissen, was man aus einem Experiment lernen will.

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Welche Missverständnisse gibt es?

Phil Dillard:Erstens glauben viele, lean zu gründen sei risikolos. Ich unterscheide deutlich zwischen Risiko und Unsicherheit. Risiken sind quantifizierbar: Ein Haus birgt das Risiko, bei einem Sturmgewitter beschädigt zu werden. Unsicherheit entsteht, wenn ich ein Haus baue, das noch nie jemand gesehen hat. Mit Experimenten kann ich auf Grundlage von Daten Sicherheit erlangen. Ein Startup ist immer mit Risiken verbunden, aber man kann das Risiko mit einem systematischen Prozess verringern, der Unsicherheit eliminiert. Weiß ich, was auf dem Markt passiert, kann ich das Risiko quantifizieren und damit umgehen. Zweitens bedeutet Lean Startup nicht, kein Geld einzusetzen. Ziel ist es, die Ressourcen effektiv zu nutzen. Es ist nicht lean, zehn statt 50 Dollar auszugeben. Lean bedeutet, ein Experiment zu machen, das wertvolle Informationen liefert – so schnell und günstig wie möglich. Ein MVP ist keine billige Version des Produktes, sondern ein Experiment, das Erkenntnisse liefert. Tesla beispielsweise hat ein teures Produkt, arbeitet aber mit leanen Methoden, testet viel und verbessert die Autos und Motoren auf Basis der Ergebnisse. Drittens werden oft Lean Startup und Lean Manufacturing gleichgesetzt. Das sind verschiedene Dinge. Lean Manufacturing will einen bestehenden Prozess verbessern: Müll reduzieren, Fehler vermeiden, Stückzahl erhöhen und so weiter. Das reduziert nicht die Unsicherheit in einem innovativen Umfeld. Darauf ist Lean Startup spezialisiert.

Können Lean Startups scheitern?

Phil Dillard:Was bedeutet scheitern für einen Entrepreneur? – Nicht, dass das erste Unternehmen, die erste Idee oder das erste Experiment schiefgehen. Das wird sicher passieren. Wir alle lernen und sind nicht so perfekt, dass wir keine Fehler machen. Aber wer immer weitermacht, findet auch einen Weg zum Erfolg. Das funktioniert mit Lean Startup besonders gut, weil es den Ressourcenaufwand für Fehler überschaubar hält und so noch Ressourcen bleiben, um weiterzumachen.

Das Gespräch führte Anna-Lena Kümpel. 

[td_block_text_with_title custom_title=”LEAN STARTUP COMPANY”]Name: Lean Startup Company
Gründung: 2012
Gründer: Eric Ries, Melissa Moore, Heather McGough
Mitarbeiter: 20
Standort: San Francisco
Service: Coachings, Vorträge und Konferenzen rund um das Thema Lean Startup

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