Nikita Fahrenholz, Gründer von Book a Tiger:

„Ich bin immer brutal ehrlich“

26/10/2016
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Nikita, warum habt Ihr Euer Geschäftsmodell umgestellt?

Nikita Fahrenholz: Wir haben festgestellt, dass unsere Kunden – vor allem Privatkunden – zwei Dinge wollen: immer die gleiche Putzfrau und gute Qualität in der Reinigungsleistung. Das konnten wir mit dem Plattformgedanken nicht erfüllen. Beim Freelancer-Modell waren wir nicht weisungsbefugt, das heißt, wir konnten den Reinigungskräften nicht sagen, wann sie wo sein sollen, wie sie etwas machen sollen und wie sie dabei auszusehen haben. Das können wir jetzt, weil wir sie anstellen.

Ihr macht aus einer digitalen Plattform eine Handwerksfirma?

Nikita Fahrenholz: Wir sind trotzdem noch eine Plattform, interpretieren es nur anders. Wir können natürlich noch immer sehr kurzfristig Nachfrage und Angebot miteinander matchen. Nur das Verhältnis zwischen uns und unseren Reinigungskräften ist enger. Wir haben dadurch viele Vorteile: Wir können unsere Arbeitnehmer schulen, genau auswählen, wer zu uns passt, und Anweisungen geben. Diese Faktoren haben eine direkte Wirkung auf die Qualität unseres Angebots und das Kundenerlebnis.

Bleibt Ihr eine Tech-Company?

Nikita Fahrenholz:Wir haben einen digitalen und effizienten Ansatz. Vermutlich gibt es keine andere Reinigungsfirma, die so viele Entwickler hat wie wir. Wir haben vier Data Scientists, die sich den ganzen Tag darüber Gedanken machen, wie die Plattform die gesamte Aussteuerung automatisch ausführen kann. Unser Ziel ist es, eine digitale Facility Management Company zu bauen und damit diese Branche zu revolutionieren. Wir wollen automatisieren, was die Konkurrenz manuell macht.

Was war die größte Schwierigkeit beim Umbau?

Nikita Fahrenholz: Wir sind von 100 auf mehrere hundert Angestellte gewachsen und so innerhalb von nur sechs Monaten zur größten Reinigungsfirma für Privathaushalte in Deutschland geworden. Dabei mussten wir viel lernen, zum Beispiel wie wir Reinigungskräfte ausbilden. Dafür haben wir jetzt die Tiger Academy. Und wir mussten unser Recruiting umstellen, von ‚Hey, hast Du nicht Lust, als Freelancer bei uns zu arbeiten?‘ hin zur Rekrutierung qualifizierten Personals.

Wie viele Leute habt Ihr jetzt?

Nikita Fahrenholz:Wir kommunizieren die Zahl nicht mehr, weil sie wettbewerbsrelevant ist. Wir gehen aber mit sehr großen Schritten auf 1000 Mitarbeiter zu.

Was haben die Investoren gesagt?

Nikita Fahrenholz:Ich bin immer brutal ehrlich. Ich verspreche niemandem das Blaue vom Himmel. Wir haben eine klare Vision, an die wir glauben, und die testen wir. Dazu dient unser monatliches Reporting. Investoren wollen ein kreatives Team, das mit offenen Karten spielt und die richtigen Rückschlüsse aus den Daten zieht. Als ich den Strategiewechsel das erste Mal angedeutet habe, haben tatsächlich alle die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen. Ich konnte das aber mit Daten untermauern. Interessanterweise folgen uns jetzt unsere Wettbewerber – zumindest in den USA.

Wie haben die Kunden reagiert?

Nikita Fahrenholz:Wir fragen die Kunden nach jeder Buchung, wie der Prozess und die Reinigungsdienstleistung waren. Im vergangenen Sommer hatten wir im Schnitt eine Bewertung von 3,8 von fünf möglichen Sternen. Seit drei Monaten sind wir jetzt bei 4,5 Sternen. Offensichtlich gefällt den Kunden, was wir machen.

Dabei seid Ihr teurer geworden …

Nikita Fahrenholz:Ja, wir zahlen jetzt den Tariflohn, der in Westdeutschland bei 9,80 Euro liegt. Wir waren auch als Plattform schon hochpreisiger als die Konkurrenz.

Und die Kunden machen das mit?

Nikita Fahrenholz:Der Schwarzmarkt ist natürlich immer noch viel günstiger. Aber meiner Überzeugung nach ist es falsch, sich einerseits bei Starbucks einen Fairtrade-Kaffee für sechs Euro zu kaufen und sich andererseits das eigene Klo für weniger als zehn Euro die Stunde putzen zu lassen.

„Investoren wollen ein kreatives Team, das mit offenen Karten spielt“

Wollen die Reinigungskräfte tatsächlich eine Festanstellung?

Nikita Fahrenholz:Der Großteil ja. Wir arbeiten bereits heute daran, in ein bis zwei Jahren Bonusvereinbarungen treffen und Karrieremöglichkeit bieten zu können. Dann ist der Job eine echte Alternative – sowohl monetär als auch vom gesellschaftlichen Status.

Gibt es einen Rat, den Du anderen Gründern geben kannst?

Nikita Fahrenholz:Man sollte darauf hören, was der gesunde Menschenverstand sagt. Das klingt einfach, aber man kann sich in Startup-Situationen sehr leicht belügen. Es wächst alles schnell, und man schaut nur den Umsatz an oder die Klicks und vergisst, wo das Business steht und ob wirklich alles Sinn macht, was man tut. Für uns war es wichtig zu wissen, wo wir in fünf Jahren stehen und worauf wir dann stolz sind. Bei dem Plattform-Modell wusste ich nicht immer zu 100 Prozent, ob das Feedback positiv ausfällt. Das hat mich nicht stolz gemacht. Mittlerweile weiß ich, dass das nicht mehr passieren kann, weil alle gut ausgebildet sind. Das ist mir wichtig.

Das Gespräch führten Anna-Lena Kümpel und Corinna Visser.

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