„Ich hätte durchaus nichts gegen ein paar weitere Zalandos“
Herr Müller, in der Berliner Startup-Szene sind viele neue Jobs entstanden. Welchen Anteil hat Ihre Politik daran?
Michael Müller: Zu Beginn des Berliner Startup-Booms hat die Berliner Politik eher indirekt auf das Startup-Umfeld eingewirkt, indem wir Berlin als internationale und tolerante Metropole weiterentwickelt haben. Seit 2012 haben wir dann etwa über den bei mir angesiedelten Startup-Roundtable aktiv intensive Kontakte zur Szene aufgebaut und in vielen Bereichen das Gründungs- und Wachstumsumfeld verbessert. So haben wir Finanzierung und Förderung deutlich aufgestockt und auf digitale Produkte ausgerichtet. Über die von TU-Präsident Thomsen und mir angestoßene 10-Punkte-Agenda Digitalisierung stärken wir digitale Infrastrukturen und digitale Inhalte in Wissenschaft und Forschung. Wir unterstützen bei der Vernetzung mit etablierten Unternehmen und bei der Internationalisierung. Und wir haben die Startup-Metropole in unserer politischen Agenda, in unserer Öffentlichkeitsarbeit und im Hauptstadt-Marketing zu einem Topthema gemacht.
Wo sehen Sie Versäumnisse der Politik?
Michael Müller: Die Fachverwaltungen sollten bei Querschnittsthemen wie Digitalisierung und Startups noch stärker ressortübergreifend und interdisziplinär zusammenarbeiten. Ich würde mir zudem wünschen, dass manche Prozesse in der Stadt schneller laufen und wir politische Ziele zügiger umgesetzt bekommen. Perspektivisch ist mir vor allem wichtig, dass wir für die Berliner Startups ausreichend Räume für weiteres Wachstum sichern und schaffen.
Was erwarten Sie von den Startups?
Michael Müller: Zunächst freue ich mich über jedes Unternehmen, das in Berlin gegründet wird, hier vor Ort wächst und dem Standort treu bleibt. Ich hätte durchaus nichts gegen ein paar weitere Zalandos. Klar ist, dass sich Startups zu Beginn primär um ihr Produkt und die Finanzierung kümmern. Für bestimmte Themen ist in der Anfangsphase nachvollziehbarerweise wenig Raum. In den späteren Phasen erwarte ich aber schon, dass sich die Startups genauso wie die etablierten Unternehmen auch mit Fragen der Ausbildung oder der Arbeitnehmerrechte befassen. Als Berliner Senat haben wir die Verbundausbildung gestärkt, so gibt es etwa die Möglichkeit, dass ein Startup und ein etabliertes Unternehmen gemeinsam ausbilden. Ich finde, das könnten noch mehr Startups nutzen. Beeindruckend finde ich, wie sich viele Startups für die Stadt engagieren und sich ehrenamtlich einbringen. Begeistert bin ich davon, dass sich das Ökosystem mittlerweile selbst regeneriert und ältere Startups in Infrastrukturen für neue Gründungen investieren oder selbst anbieten. Deshalb bin ich auch davon überzeugt, dass der Startup-Boom in Berlin nachhaltig sein wird.
„In den späteren Phasen erwarte ich aber schon, dass sich die Startups genauso wie die etablierten Unternehmen auch mit Fragen der Ausbildung oder der Arbeitnehmerrechte befassen.“
Wie wollen Sie die führende Rolle Berlins in der Digitalwirtschaft weiter ausbauen?
Michael Müller: Mit der 10-Punkte-Agenda zur Digitalisierung, der von der Startup Unit erarbeiteten Startup-Agenda und unserer Smart-City-Strategie, die ebenfalls viele Digitalisierungsprojekte beinhaltet, haben wir eine gute strategische Grundlage, die wir in der nächsten Legislaturperiode abarbeiten müssen. Die Digitalisierung ist auf jeden Fall eine der großen Chancen Berlins, die auch der nächste Senat mit höchster Priorität versehen wird.
Welche Pläne haben Sie für ein Startup-Zentrum am Flughafen?
Michael Müller: Der ehemalige Flughafen Tempelhof ist eine einzigartige Immobilie. Deshalb wollen wir aus dieser Liegenschaft auch etwas Besonderes machen. Es soll ein neuer Leuchtturm entstehen, der international Beachtung finden wird. Im Senat haben wir beschlossen, dass dort unter der Marke ‚Berlin Creative District‘ Berlins neues Quartier für Kunst, Kultur und Kreativwirtschaft entstehen soll. Dies schließt Innovation und Startups ausdrücklich mit ein. Relativ weit vorangeschritten ist bereits die Vergabe des sogenannten Gebäudeteils H2rund. Hier soll vor allem ein Gründerzentrum für digitale und kreative Startups aufgebaut werden. Sobald die Vergabe erfolgt ist, können die Bauarbeiten beginnen und mehrere tausend Quadratmeter für die Berliner Startups geschaffen werden.
„Berlin muss es mit Blick auf einen nachhaltigen Wirtschaftsaufschwung künftig noch stärker schaffen, in Schlüsselbranchen Innovationstreiber zu sein.“
Die entsprechende Infrastruktur ist Voraussetzung für erfolgreiche digitale Geschäftsmodelle. Wie wollen Sie dafür sorgen, das es 5G zuerst in Berlin geben wird?
Michael Müller: Berlin muss es mit Blick auf einen nachhaltigen Wirtschaftsaufschwung künftig noch stärker schaffen, in Schlüsselbranchen Innovationstreiber zu sein. In Bereichen wie etwa der Gesundheitswirtschaft gelingt uns das schon ganz gut. Um für Innovationen unter anderem in der Sensorik die nötigen Voraussetzungen zu schaffen, wollen wir in Berlin als notwendige Infrastruktur in mehreren Stufen 5G-Testfelder aufbauen. Die Wirtschaftsverwaltung führt dazu entsprechende Gespräche unter anderen mit den Netzbetreibern. Ich zähle darauf, dass es uns zügig gelingt, zunächst einzelne Zukunftsorte mit dem neuen Standard zu versehen und diesen in späteren Schritten auf das Stadtgebiet auszudehnen. Denn die Wettbewerber schlafen nicht.
Braucht Berlin einen Senator für Digitales?
Michael Müller: Das in diesem Jahr verabschiedete E-Government-Gesetz sieht die Einsetzung eines für IT verantwortlichen Staatssekretärs vor. Diese Art neuer CIO soll die vielfältigen Digitalisierungsprojekte an zentraler Stelle koordinieren und mit Nachdruck voranbringen. Da die Digitalisierung ein Querschnittsthema ist, erwarte ich darüber hinaus von allen Fachressorts, in ihren jeweiligen Verantwortungsbereichen digitale Themen noch stärker in den Fokus zu nehmen.
Das Gespräch führte Corinna Visser.