Herr Todt, im Kader eines Profi-Fußballteams treffen unterschiedliche Menschen aufeinander. Wie schwer ist es, die zu einer Einheit zu formen?
Jens Todt: Entscheidend ist die soziale Kompetenz des Trainers. Für mich ist die umso wichtiger, je höher die Spielklasse ist. Das Führen der Gruppe macht für mich den entscheidenden Qualitätsunterschied aus, gerade in der sportlichen Krise. Die Frage ist dann: Erkennt der Trainer Strömungen früh, und steuert er rechtzeitig gegen? Findet er die richtigen Worte? Geht er mit den richtigen Leuten richtig um?
Wie sehen solche Unterschiede im Umgang in der Praxis aus?
Jens Todt: Es ist beispielsweise ein erheblicher Unterschied, ob ich einen Amerikaner oder einen Japaner vor der Gruppe kritisiere. Einen älteren japanischen Führungsspieler vor der Mannschaft zu kritisieren, bedeutet für ihn einen Affront, ein Gesichtsverlust. Um diese kulturellen Unterschiede muss der Trainer wissen. Das ist ein sehr plakatives Beispiel, meist ist es selbstverständlich subtiler. Grundsätzlich hilft es, wenn man Menschen mag. Gute Trainer sind für mich meist auch gute Pädagogen.
Eine Wildwasser-Tour in der Vorbereitung hat zunächst erst einmal wenig mit Fußball zu tun. Warum das Ganze?
Jens Todt: Wenn man die Mannschaft durch teambildende Maßnahmen in die Situation zwingt, sich miteinander beschäftigen und unterstützen zu müssen, dann kann das hilfreich sein. Aber solch eine Aktion ist ja nur eine Kleinigkeit. Allerdings kann es ja auch um die Summe der Kleinigkeiten gehen.
„Wenn man die Mannschaft durch teambildende Maßnahmen in die Situation zwingt, sich miteinander beschäftigen und unterstützen zu müssen, dann kann das hilfreich sein.“ Jens Todt
Wie bringt man ein strauchelndes Team wieder in die Spur?
Jens Todt:Wenn es da einen Knopf gäbe, den man nur zu drücken brauchte, wären wir alle Meistertrainer. Eine Krise kann ja eine Menge Ursachen haben: eine schlecht zusammengestellte Gruppe, vielleicht auch einfach mal ein wenig Pech über mehrere Wochen oder schlicht und einfach ein Mangel an sportlicher Qualität. Wenn die meisten Gegner objektiv von den Einzelspielern her überlegen sind, kann man es im Idealfall über Gruppenverhalten lösen: zusammenrücken und eine Wagenburg bilden. Oder gibt es Konflikte, die das Team mit sich herumträgt? Da gibt es wiederum unterschiedliche Möglichkeiten, diese zu lösen. Bei uns lief es beispielsweise im Herbst nicht nach Plan. Da haben wir einen Mentalcoach als neutrale Person hinzugenommen – und damit sehr gute Erfahrungen gemacht.
Die sanfte Variante der Konfliktbewältigung …
Jens Todt:Ja, ich bin davon überzeugt, dass es leistungsfördernd ist, wenn man sich in einer Gruppe gut aufgehoben fühlt. Es kann auch sein, dass du dich im Winter von drei Spielern trennen musst, um Konflikte zu lösen. Das ist sehr unterschiedlich. Und das zu erkennen, ist entscheidend.
Wie suchen Sie nach Neuzugängen?
Jens Todt: Zunächst einmal beschränken wir uns dabei nur auf Märkte, die wir so gut wie möglich im Griff haben können. Wir haben eine kleine Truppe und nur einen hauptamtlichen Scout. Dazu eine Kooperation mit dem Karlsruher Institut für Technologie, die uns beim Video-Scouting unterstützen. Aber was wir nicht systematisch erfassen können, machen wir normalerweise nicht. Das sind unsere Grundsätze.
[clickToTweet tweet=”„Was wir nicht systematisch erfassen können, machen wir nicht.“ Jens Todt von @KarlsruherSC” quote=”„Was wir nicht systematisch erfassen können, machen wir nicht.“ Jens Todt von @KarlsruherSC”]An welcher Stelle des Scoutings beschäftigen Sie sich mit den Charaktereigenschaften eines Spielers?
Jens Todt:Wir versuchen vor dem ersten Treffen möglichst viel in Erfahrung zu bringen. Wir machen einen Hintergrundcheck über unser Netzwerk. Das kann einer unserer Spieler sein, der schon einmal mit dem Kandidaten zusammengespielt hat, oder auch ein Trainer oder ein Journalist, der ihn kennt.
Und wer nicht überzeugt, fällt durch das Raster?
Jens Todt:Das kann passieren. Allerdings muss man auch vorsichtig sein. Manchmal gibt es Spieler, die als schwierig gelten. Mit so etwas gehen wir vorsichtig um. Es kann sein, dass er bei seiner letzten Station Probleme mit seiner Frau hatte, sich in der Stadt nicht wohlgefühlt hat oder warum auch immer eine schwierige Zeit hatte. Entscheidend ist und bleibt bei großem Interesse daher auch das persönliche Treffen; in das versuchen wir so vorurteilsfrei wie möglich reinzugehen.
Wie kann der Verein – außer Geld – bei einem Neuzugang punkten?
Jens Todt:Wir wissen: Gerade in monetären Punkten, können wir nicht besser sein als die finanziell besser gestellten Klubs. Aber wir können versuchen, uns besser um unsere Spieler zu kümmern. Wir helfen ihnen bei der Wohnungssuche. Wir schauen uns nach einem Kita-Platz für das Kind um. Wir stellen einen Dolmetscher und einen Deutschlehrer. Die In-tegration muss mit Volldampf passieren.
Sie tun dies natürlich auch zum Nutzen des Vereins.
Jens Todt:Selbstverständlich, wir müssen Punkte holen! Wenn die Mannschaft ein stimmiges Gefüge bildet, bringt das Punkte. Wenn Kommunikation leichter fällt, weil die ausländischen Spieler schneller integriert werden können als bei Konkurrenten, bringt das auch Punkte.
Was muss ein Neuzugang ausstrahlen?
Jens Todt: Es ist wichtig, dass wir das Gefühl haben, dass er den KSC als Schritt nach vorne sieht und mit uns etwas erreichen will.
Das Gespräch führte Maximilian von Harsdorf. [td_block_text_with_title custom_title=”Jens Todt”]Jens Todt ist Sportdirektor beim Karlsruher SC. Der frühere deutsche Nationalspieler und heutige Fußballmanager ist seit Sommer 2013 bei dem Zweitligisten tätig. Mit dem 46-Jährigen setzte sich der Klub trotz eines vergleichsweise geringen Etats – in der vergangenen Saison rund 8,5 Millionen Euro – dauerhaft in der oberen Tabellenhälfte fest. ksc.de