„Jede Runde war auf ihre Art schwierig“
Malte, seit Du 2013 zu Goeuro gekommen bist, habt Ihr in vier Finanzierungsrunden mehr als 145 Millionen Dollar bei Investoren eingeworben. Welche Runde war die schwierigste?
Malte Cherdron: Jede war auf ihre Art schwierig. Man ist jedes Mal in einem anderen Stadium der Firma und die Fragen, um die es geht, ändern sich. Man muss jedes Mal etwas anderes beweisen, damit es funktioniert.
Lass uns die Besonderheiten der einzelnen Runden durchgehen: 2013 waren die Investoren Hasso Plattner Ventures und Battery Ventures, da ging es um vier Million Dollar. Was war die Herausforderung?
Malte Cherdron: Unsere Firma bestand damals aus acht Leuten, es gab eine gute Idee, es gab eine klare Vision, wohin es gehen soll. Aber es gab noch nicht einmal eine Website, die online war. Wir haben mit einer internen Demo-Seite und einem Stapel Powerpoint-Präsentationen gearbeitet. Die Investoren haben damals geglaubt, dass das funktionieren kann, ohne es gesehen zu haben.
Dann kam Sommer 2014. Welche Summe war damals notwendig?
Malte Cherdron:Es waren so um die 25 Millionen.
Die Investoren waren Lakestar und andere, und es ging um eine andere Dimension.
Malte Cherdron:Da war tatsächlich schon ein Produkt draußen, und so konnte man sich die Wachstumsraten und die tatsächliche Nutzung auf der Plattform anschauen: Was machen die Nutzer? Funktioniert es so und löst es tatsächlich das Problem, das wir lösen wollen, nämlich den Leuten zu helfen, Fahrkarten zu kaufen?
War die Vision damals noch eine andere als heute?
Malte Cherdron:Wir wollen ein Produkt bauen, das ein relevantes Problem löst für Millionen von Nutzern jeden Monat. Das ist es auch, was Investoren überzeugt. Es gibt einen Markt – der Reisemarkt in Europa hat ein Volumen in einer Größenordnung von 100 Milliarden Euro im Jahr – nur der Transport, ohne Hotel und Übernachtungen. Es gibt einen riesigen Markt und ein offensichtliches Problem: Der Markt in Europa ist extrem fragmentiert und sehr unübersichtlich. So fällt es den Kunden schwer, die eigentlich hervorragende Infrastruktur zu nutzen und die richtigen Angebote zu finden.
„DIE INVESTOREN HABEN DAMALS GEGLAUBT, DASS ES FUNKTIONIEREN KANN, OHNE ES GESEHEN ZU HABEN“
2015 habt Ihr Goldman Sachs angesprochen.
Malte Cherdron:Irgendwann kommt man in eine andere Größenordnung. 2014 waren wir zwar bereits in Deutschland, UK und Spanien am Markt. Aber uns kannte seinerzeit noch keiner. 2015 war unser Angebot schon sehr viel weiter ausgerollt und wir hatten Europa schon viel weiter abgedeckt. Also konnten wir Traktion zeigen und Zahlen vorlegen. Je weiter du kommst, je mehr du beweisen kannst, dass das, was du baust, tatsächlich ein Problem für die Leute löst, je mehr du das mit harten Zahlen untermauern kannst, desto besser.
Aber zu diesem Zeitpunkt hat wahrscheinlich auch der Wettbewerb enorm zugenommen. Es gibt doch eine ganze Menge Plattformen, die Flugtickets anbieten.
Malte Cherdron:Es gibt bis heute keine, die genau das Gleiche tut, was wir tun. Wir vergleichen in zwölf Ländern Europas systematisch die Angebote von Bahn, Bus und Flugzeug und machen sie buchbar. Tickets mit einem Knopfdruck verfügbar zu machen – das ist ein Schritt, der über die reine Metasuche hinausgeht. Wir machen das mittlerweile in ziemlich vielen Ländern, zumindest für Bahnanbieter. Und da sehe ich nicht, dass da so viel Wettbewerb aufgekommen ist.
Im Herbst 2016 habt Ihr noch einmal 70 Millionen Dollar unter anderem von Silver Lake Kraftwerk und Kleiner Perkins Caufield & Byers bekommen. Was war dabei die Herausforderung?
Malte Cherdron: Manche Probleme verschieben sich, man spricht dann mehr über das Wachstumspotenzial in den kommenden vier bis sechs Jahren, man denkt dann noch langfristiger. Uns war in jeder Runde sehr wichtig, Investoren zu finden, die langfristig denken und nicht daran interessiert sind, in einem halben Jahr das Ding mit Gewinn weiterzuverkaufen – Investoren, die mit uns zusammen etwas aufbauen. Sehr wichtig und hilfreich ist es auch, Investoren zu haben, die sehr viel mehr tun, als nur Kapital in die Firma zu geben, die ein sehr breites Netzwerk mitbringen. Wir haben jetzt Investoren in Tel Aviv, New York, Silicon Valley, London und Zürich, die extrem gut vernetzt sind, Kontakte herstellen können und uns helfen, die richtigen Leute zu finden.
Wie viele Investoren habt Ihr jetzt insgesamt?
Malte Cherdron:Zu den Großen gehören: Battery, NEA, Lakestar, Atomico, Goldman Sachs, Silver Lake, Kleiner Perkins. Es gibt noch eine lange Reihe von Angel-Investoren.
Hütet man da einen Sack Flöhe, oder ist es gut, dass es so viele sind?
Malte Cherdron: Nein, das ist gut. Bei den Angel Investors geht es nicht um das Geld, die Summen sind relativ klein, sondern um die Kontakte und die Unterstützung. Das sind zum großen Teil Leute, die selbst schon Firmen aufgebaut haben. Die sind uns fünf, sechs, sieben Jahre voraus und unterstützen uns bei weiteren Finanzierungsrunden und können auch wichtige Kontakte herstellen.
Wie viel Kommunikation findet statt?
Malte Cherdron: Mit den Investoren sind wir sehr viel in Kontakt. Wir haben monatliche Updates und regelmäßige Board-Meetings mit den wichtigsten Investoren.
Sind die monatlichen Updates automatisiert, bekommen die Investoren ein Mailing?
Malte Cherdron:Da gibt es regelmäßige Reportings und auch persönlichen Kontakt. Das ist nicht komplett formalisiert.
Der direkte Kontakt ist also noch da?
Malte Cherdron:Je mehr Investoren man hat, desto unterschiedlicher sind die Kontakte. Es gibt einige, die sehr eng dran sind, und andere, die etwas distanzierter sind.
Die Investoren sind ja nicht nur bei Euch engagiert. Wie schafft Ihr es, dass sie die Top-Entwickler zu Euch schicken?
Malte Cherdron:Wer in so vielen Firmen involviert ist, kennt nicht nur dort, sondern auch darüber hinaus sehr viele Leute. Das heißt nicht, dass sie einen Stapel mit CVs haben, den sie dann unter ihren Portfolio-Unternehmen verteilen. Wenn wir zum Beispiel jemanden für die Produktentwicklung suchen, der auf ein bestimmtes Thema spezialisiert ist, dann wissen die Investoren oft, wen man fragen kann oder wer Interesse haben könnte.
Gibt es jemanden bei Euch, der speziell die Investoren betreut?
Malte Cherdron: Wir sind noch nicht so groß, dass wir eine eigene Abteilung dafür haben. Das machen der Gründer Naren Shaam und ich persönlich.
„Eine Finanzierung IST nur dann erfolgreich, wenn man etwas aufbaut, wenn man ein anspruchsvolles Produkt entwickelt und zeigen kann, dass das Traktion hat“
Wie viel Zeit muss man dem widmen?
Malte Cherdron:Da ist zum einen das Geschäft, das man aufbauen muss, und zum anderen die Finanzierungskette, die nicht abreißen darf. Das geht in Wellen. Aber wir stecken sehr viel mehr Zeit ins Produkt und den Aufbau der Firma selbst als in den Kontakt mit Investoren. Um eine Finanzierungsrunde herum ist es natürlich sehr intensiv. Aber letztlich ist auch eine Finanzierung nur dann erfolgreich, wenn man etwas aufbaut, wenn man ein anspruchsvolles Produkt entwickelt und zeigen kann, dass das Traktion hat und die Leute immer wieder zurückkommen, um das Produkt erneut zu nutzen.
Gibt es am Anfang Dinge, die man falsch machen kann, die einem dann später viele Wege verbauen?
Malte Cherdron: Es ist sehr hilfreich, wenn die frühen Investoren gut vernetzt sind und einen Track Record haben. In den verschiedenen Phasen eines Unternehmens holt man ja verschiedene Arten von Investoren dazu. Manche schreiben Schecks für eine halbe bis eine Million, andere fangen bei weniger als 50 Millionen gar nicht erst an. In den späteren Runden kommen naturgemäß die größeren Investoren dazu. Aber Investoren zu haben, die früh einsteigen und bis zu einer sehr späten Phase das gesamte Spiel mittragen und auch eine Reputation haben bei den später einsteigenden Investoren, das ist extrem hilfreich. Natürlich ist es auch eine Glückssache, Investoren zu finden, die andere Firmen über einen langen Zeitraum groß gemacht haben. Das ist mit Sicherheit ein Plus in der konkreten Runde, aber auch für die Zukunft. Es ist ratsam, sich – gerade bei den ersten Runden – gute Beratung zu holen, was die Term Sheets angeht und die Struktur von Investment-Deals. Da gibt es immer eine Bandbreite von Verträgen, die entweder relativ gründerfreundlich sind und auch für spätere Runden eine gute Basis sein können oder solche, die Klauseln beinhalten, die später mal wehtun oder größere Hürden sind, um neue Investoren zu überzeugen.
Wen fragt Ihr um Rat?
Malte Cherdron: Da ist es wieder extrem hilfreich, ein großes Netzwerk zu haben und es relativ früh aufzubauen – ein Netzwerk aus anderen Gründern, die schon ein paar Phasen weiter sind und das schon durchgemacht haben. Diese können dann auch von Fehlern berichten, die man nicht noch einmal machen muss. Idealerweise sind auch Mentoren, Freunde und Kontakte aus der Investmentwelt dabei.
Einen Rechtsanwalt werdet Ihr aber auch haben.
Malte Cherdron:Ja, ich würde jedem raten, der eine Finanzierungsrunde macht, daran nicht zu sparen. Es ist vor allem auch wichtig, Anwälte zu haben, die das nicht zum ersten Mal machen und die wissen, wie vernünftige Terms aussehen und an welchen Stellen man auf jeden Fall hart nachverhandeln sollte. Das sind Anwälte, die Firmen über mehrere Finanzierungsrunden oder auch den ein oder anderen Exit begleitet haben.
Ein Term Sheet – bringt Ihr das mit oder kommt das von den Investoren?
Malte Cherdron:Ein Term Sheet kommt von den Investoren, und wenn man sich darauf ganz geeinigt hat, dann ist das Grundlage für die Zusammenarbeit.
Habt Ihr erlebt, dass Investoren versucht haben, Euch etwas unterzuschieben?
Malte Cherdron: Auch da gibt es eine große Bandbreite. Es gibt durchaus Investoren, die von Anfang an ein sehr knappes, klares und faires Term Sheet auf den Tisch legen. Das ist aus meiner Sicht ein ziemlich gutes Kriterium, Investoren auszuwählen. Jemand, der von Anfang an mit fairen, einfachen Terms kommt, ist sehr viel glaubwürdiger in der Rolle eines Investors, der langfristig interessiert ist und an den Erfolg glaubt und gemeinsam mit der Firma etwas aufbauen möchte.
Also Vorsicht vor Term Sheets, die mehr als 15 Seiten lang sind?
Malte Cherdron:Auf die Länge kommt es nicht an, sondern auf das, was drinsteht. Da gibt es eine Reihe von Punkten, die kritischer sein können oder weniger kritisch. Die Bewertung ist auch immer ein Thema, natürlich möchte man seine Firma oder einen Teil davon nicht billig verkaufen.
Auf welche Punkte sollte man dabei achten?
Malte Cherdron:Immer auf all das, wo es um die Mitspracherechte geht, bei Board Seats oder sonstigen Stimmrechten. Wie viel Kontrolle bleibt beim Gründerteam, wie viel Kontrolle übernehmen die Investoren? Liquidationspräferenzen sind auch ein großer Punkt – also wenn die Firma an die Börse geht oder verkauft wird oder sonst irgendwie zu Geld gemacht wird, wie wird das aufgeteilt?
Könntest Du das näher erklären?
Malte Cherdron:Investoren lassen sich meistens vertraglich zusichern, dass sie im Fall eines Verkaufs der Firma über ihren rein prozentualen Anteil hinaus am Erlös partizipieren, zum Beispiel indem sie mindestens das eingesetzte Kapital zurückerhalten, bevor Gründer und Mitarbeiter ihren Anteil bekommen. Das ist soweit nichts Besonderes. Es kommt aber sehr darauf an, wie das im Detail geregelt ist. Es gibt durchaus Investmentverträge, bei denen der Investor erst einmal das eingesetzte Geld oder gar ein Mehrfaches davon zurückbekommt und dann noch am verbleibenden Erlös beteiligt wird. Und wenn man von derartigen Investmentverträgen zu viele aufeinander häuft, bleibt am Ende für spätere Investoren oder auch für die Gründer immer weniger übrig. Mein Rat an jemanden, der das zum ersten Mal macht, wäre, sich jemand an Bord zu holen, der das wirklich versteht – also einen erfahrenen Anwalt oder einen Gründer, der das alles schon einmal durchlaufen hat und auch einschätzen kann, welche Investmentverträge am Markt normal sind.
Wann sollte man eine neue Finanzierungsrunde starten?
Malte Cherdron: Möglichst bevor das Konto leer ist.
„Wir haben jetzt mehr als zehn Millionen Nutzer im Monat. Wir werden das sicher noch sehr deutlich steigern“
Wie lange dauert eine Runde?
Malte Cherdron:Das ist immer ein Prozess von zwei, drei, vier Monaten. Das hat mit der Größe relativ wenig zu tun. Jede Firma hat eine grobe Geschäfts- und Finanzplanung. Man kann sich ausrechnen, wie weit man mit dem jetzigen Budget kommt und idealerweise geht man das Ganze frühzeitig an, um nicht jedes Term Sheet annehmen zu müssen, sondern in Ruhe verhandeln und auswerten zu können. Außerdem hat es mit dem Markt zu tun: Ist die Stimmung des Marktes gerade freundlich? Gibt es viel Nachfrage nach Investment?
Formal seid Ihr eine US-Firma. Bringt das Vorteile, wenn man US-amerikanische Investoren gewinnen will?
Malte Cherdron: Mein Eindruck ist, dass dieses Thema an der zwölften oder 13. Stelle rangiert. Die Rechtsform und die Frage, wo die Firma registriert ist, sind relativ uninteressant.
Denkst Du nicht, dass Firmen in den USA oder speziell im Silicon Valley größere Summen einwerben können?
Malte Cherdron:Erst mal einwerben müssen, weil die Kosten dort extrem hoch sind. Das geht schon bei der Büromiete oder den Gehältern los. Abgesehen davon ist das vielleicht so, aber wir können keine Reisesuch- und Buchmaschine für Europa aus dem Silicon Valley heraus aufbauen. Das ist ein europäisches Produkt und das muss man in Europa machen.
Welches sind Eure Kennzahlen?
Malte Cherdron:Die Reichweite, wie viele Leute Goeuro kennen und benutzen. Auch die Zahl der direkt oder indirekt über Goeuro verkauften Tickets ist ein wichtiger Indikator dafür, wie gut das Produkt funktioniert.
Ihr habt 70 Millionen Dollar eingeworben. Wie lange werden die reichen?
Malte Cherdron:Lang genug, um uns eine Weile keine Gedanken über Finanzierung zu machen.
Wenn die Tinte unter so einer Finanzierung trocken ist, gibt es dann eine Riesenparty?
Malte Cherdron:Dann kann man schon mal eine Flasche aufmachen – klar.
Wird dann Schampus getrunken?
Malte Cherdron:Ja, klar.
Für alle?
Malte Cherdron:Ja natürlich. Das ist ja nicht nur ein Erfolg des kleinen Teams, das die Finanzierung verhandelt hat, sondern ein Erfolg der ganzen Firma. Wir haben hier 100 Entwickler, die diese ganze Maschinerie aufbauen, die das Produkt erst möglich macht. Ein Marketing-Team von 50, 60 Leuten. Wir haben eine große Produktabteilung. Wir haben Business-Development. Die sind alle beteiligt. Die machen das erst möglich, dass wir diese Beträge einwerben und Investoren überzeugen, mit uns diese Firma weiter aufzubauen. Natürlich feiert man das dann.
Was sind Eure Pläne für 2017?
Malte Cherdron:So langweilig es klingt: Wachstum. Wir haben jetzt mehr als zehn Millionen Nutzer im Monat. Wir werden das sicher noch sehr deutlich steigern. Wir werden weitere Länder dazunehmen. Europa hat 45 Länder, wir sind in zwölf vertreten – da haben wir also noch etwas vor uns. Und es gibt immer noch Bahn- und Busunternehmen, die im Netzwerk fehlen, auch bei 500 ist noch lange nicht Schluss. Es gibt vermutlich noch mal so viele Busunternehmen, die wir nach und nach erschließen werden. Außerdem werden wir noch stärker eine Mobile-Company werden. Heute wird Goeuro schon zum überwiegenden Teil auf Mobilgeräten genutzt. Wir werden weitere Partner in die integrierte Buchung aufnehmen, einfach weil das auf mobilen Geräten sehr viel besser funktioniert. Jemand, der für Bahn oder Bus ein Ticket sucht und sich mühsam auf dem Smartphone durch Websites hangeln muss, tut sich schwer. Wenn das mit einem Knopfdruck zu haben ist, so wie bei uns, dann ist alles sehr viel einfacher und komfortabler.
Das Gespräch führte Corinna Visser.
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NAME: Goeuro
GRÜNDUNG: 2012
GRÜNDER: Naren Shaam
MITARBEITER: 180
STANDORT: Berlin Prenzlauer Berg
SERVICE: Goeuro ist eine Reisesuchmaschine, die automatisch die günstigsten Tickets für individuelle Reisen findet und dabei die Gesamtreisezeit für Bus, Bahn und Flugzeug im Vergleich zum Auto kalkuliert.