Freshworks:

Eine indische Gründergeschichte

06/09/2018
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Girish, Sie erzählen auf Ihrem Unternehmensblog, dass Sie einen gut bezahlten Job aufgegeben haben, um 2010 Freshworks zu gründen. Wie kam das?

Girish Mathrubootham: Wie sehr viele andere ambitionierte indische Studenten in den 1990er-Jahren habe ich auch einen Bachelor-Abschluss im Bereich Elektrik und Elektronik erworben und dann noch einen MBA-Studiengang an der University of Madras absolviert. Anschließend habe ich mich in der IT-Welt nach oben gearbeitet, bis ich irgendwann VP für das Produktmanagement bei AdventNet (jetzt Zoho) war.

Ich hatte schon immer Unternehmergeist, denke ich, und als sich dann die richtige Chance am Markt auftat, konnte ich dem Drang nicht widerstehen, meinem Instinkt zu folgen, und habe es einfach gewagt. Es war ein einfacher Kommentar auf „Hacker News“, der mich letztlich dazu veranlasste, Freshworks zu gründen und mit Freshdesk unser erstes Produkt auf den Markt zu bringen. Die Nummer 1 in der Support-Branche hatte ihre Preise um bis zu 300 Prozent erhöht und ihre Kunden wünschten sich verzweifelt jemanden, der dem Unternehmen Konkurrenz macht. Das war eine Chance, die ich mir nicht entgehen lassen konnte!

Mitte 2018 ist Freshworks in den Club der Einhörner aufgestiegen. Die Entscheidung hat sich also gelohnt?

Girish Mathrubootham: Von den Anfängen von Freshworks, als wir uns ganz naiv vorgenommen haben, von einem Vorort Chennais aus ein global erfolgreiches Produkt aufzubauen, bis hierher war es ein langer Weg.

„Das war eine Chance, die ich mir nicht entgehen lassen konnte! “

Es begann alles damit, dass wir die Microsoft India Startup Challenge gewonnen haben, an der außer uns 438 andere Startups teilnahmen. Das war eine große Bestätigung, die mir verdeutlicht hat, dass wir es wohl irgendwie richtig machen. Das hat unser Selbstvertrauen sehr gestärkt. Kurz danach haben wir von Accel Partners eine Investition von 1 Million US-Dollar erhalten, was wie ein Ritterschlag war und uns Glaubwürdigkeit verliehen hat.

Der größte persönliche Erfolg bestand für mich darin, dass Tiger fünf Millionen US-Dollar in unser Unternehmen investiert hat. Das war ungefähr im April 2012. Bis dahin sind wir sehr budgetorientiert vorgegangen und haben hart verhandelt, wenn es um Ausgaben ging – und dann war Geld plötzlich kein Thema mehr. Die ganzen Hürden und Grenzen, die uns zuvor mental blockiert hatten, waren weg und wir konnten all unsere Ziele umsetzen.

Können Sie darauf näher eingehen?

Girish Mathrubootham: Ein wichtiges Ziel war unser Rebranding beziehungsweise der Übergang von Freshdesk zu Freshworks. Wir wollten Freshworks als Anbieter mehrerer SaaS-Produkte aufstellen und sind voller Elan dabei, diese Story weiterzuschreiben.

Nennenswert ist hier vor allem unser zweites Produkt, Freshservice, das uns bereits im ersten Betriebsjahr 1,5 Millionen US-Dollar eingebracht hat. Wir konnten uns selbst intern, aber auch dem Vorstand und dem externen Markt beweisen, dass wir breiter aufgestellt sind, als viele dachten, und uns nicht nur auf ein einziges Produkt beschränken. Ab diesem Zeitpunkt sind wir auf Produktebene mehrgleisig gefahren.

Können Sie uns einen Einblick in die Technologieszene in Indien geben?

Girish Mathrubootham: In den 1990ern erreichte die erste IT-Welle in Form von IT-Dienstleistungen Indien und es entstanden einige große Unternehmen – Infosys, TCS, Cognizant, Wipro, HCL und andere. In diesem Bereich ist das Wachstum explodiert, doch in puncto produktzentrierte Unternehmen hatte Indien keine führende Rolle inne.

Heute jedoch gibt es hier ein florierendes Ökosystem und die Zeit ist reif für zahllose weitere Produktunternehmen, die von Indien aus den Weltmarkt bedienen. Die Technologiebranche befindet sich in Indien momentan in ihrer Blütezeit und es ist gerade wirklich sehr aufregend, als Product-Entrepreneur hier tätig zu sein.

Laut Crunchbase ist Ihr Unternehmen immer noch in Indien ansässig. Wenn das stimmt, warum ist Ihnen dieser Stützpunkt in der Heimat so wichtig?

Girish Mathrubootham: Freshworks hat seinen Hauptsitz in den USA, im kalifornischen San Bruno. Darüber hinaus verfügen wir über Niederlassungen in London, Sydney und Berlin, aber der Großteil unserer operativen Aktivitäten und der Technologieentwicklung findet in Indien, in Chennai, statt, wo wir einen sehr großen Standort betreiben. In Indien gibt es viele qualifizierte Fachkräfte, und dass wir hier im Land tätig sind, verschafft uns auch einen Kostenvorteil. Wir können hier großartige Produkte zu einem sehr guten Preis entwickeln. Als Akteur der SaaS-Branche sind wir zudem gut aufgestellt, um jeden Markt von hier aus zu erreichen.

Wie wichtig ist es, über einen Stützpunkt in den USA zu verfügen?

Girish Mathrubootham: Für uns besteht kein Zweifel daran, dass es sich bei dem amerikanischen Markt um unseren größeren handelt.  Ich sage immer, dass man Technologie in den Cafés hier riechen kann. Man sitzt bei Starbucks, trinkt seinen Kaffee und hört, wie die Leute um einen herum die ganze Zeit über KI und ML und alles Mögliche in diesem Bereich sprechen.

Das ist ein Benchmark, der Auskunft darüber gibt, welche Technologietrends den Markt beherrschen und was derzeit „heiß“ ist. Keiner kann es sich leisten, seine Finger nicht im US-Markt zu haben. Es ist egal, in welchem Teil der Welt man sich selbst befindet – man muss einfach wissen und verstehen, was im Silicon Valley vor sich geht.

Wie sieht es mit kulturellen Unterschieden aus? Mal abgesehen von der Sprache – mussten Sie Ihr Produkt oder Ihre Strategie in den verschiedenen Ländern anpassen?

Girish Mathrubootham: Das Erfrischende am SaaS-Modell ist die Tatsache, dass der Hauptfokus auf dem Produkt liegt und darauf, wie es in verschiedenen Ländern und Sprachen funktioniert. Das zugrunde liegende Self-Service-Modell sorgt dafür, dass das Produkt für sich selbst spricht und den Benutzer in ausreichendem Maß anleitet. Unser Fokus liegt von Anfang bis Ende auf dem Produktdesign und der Optimierung, um die Anfangsphase für die Kunden so einfach wie möglich zu gestalten.

Die Produkte von Freshworks sind kundennah und kundenorientiert und in den verschiedenen Regionen sind keine grundlegenden Anpassungen erforderlich. Aufgrund der großen Bedeutung für unser Wachstum hatten wir von Anfang an den Weltmarkt und internationale Kunden im Blick.

„Die Kunden müssen innerhalb der ersten 20 Sekunden dazu gebracht werden, mit dem Produkt zu interagieren.”

Womit erklären Sie sich Ihren Erfolg?

Girish Mathrubootham: Normalerweise haben die Benutzer keinen großen Einfluss auf den Kaufprozess, da der Verkauf von Software nach dem Top-down-Prinzip abläuft. Bei Freshworks ist das anders, wir konzipieren unsere Produkte gemäß den Bedürfnissen der Endbenutzer. Grundlage dafür ist unser stark disruptives Geschäftsmodell, das mit dem Online-Verkauf an kleine und mittlere Unternehmen sowie die Long-Tail-Anbieter aus der Reihe der globalen KMU seinen Anfang nahm.

Viele Unternehmen und Vertriebsmitarbeiter haben KMU gar nicht im Blick, da es sich um einen fragmentierten Markt handelt, von dem sie sich nicht viel versprechen. Doch wir haben uns auf dieses Terrain gewagt und diesen Markt erschlossen. Heute decken wir das ganze Spektrum ab und bedienen KMU, mittelständische Firmen und Großunternehmen gleichermaßen.

Und was tun Sie, um erfolgreich zu bleiben?

Girish Mathrubootham: Im Allgemeinen landen Kunden, die online nach Helpdesk-Software oder Kundenmanagement-Software suchen, auf unserer Website und melden sich für die Testversion an. Die Kunden müssen innerhalb der ersten 20 Sekunden dazu gebracht werden, mit dem Produkt zu interagieren.

Dann geht es darum, dass sie dabei bleiben, und hier spielen das ästhetische Design und die Funktionen eine Rolle. Wir müssen dafür sorgen, dass sie sie ausprobieren und merken, wie intuitiv und einfach sie zu benutzen sind. Nur wenn sie mit allem experimentieren können, kommt es irgendwann so weit, dass sie zu ihren Chefs gehen, um ihnen zu erklären, wie ihr Unternehmen von dieser Software profitieren kann.

Sie haben gerade eine Investition von 100 Millionen US-Dollar erhalten. Welche Pläne haben Sie für die Zukunft des Unternehmens?

Girish Mathrubootham: Derzeit expandieren wir in den USA, in Australien und Neuseeland und in den Regionen EMEA und APAC. Diese weltweite Expansion werden wir fortführen. Zudem werden wir in eine integrierte Kundenengagementplattform investieren. Wir haben noch andere Produkte in der Pipeline und arbeiten derzeit noch an weiteren Expansionsplänen. Es wird nicht mehr lange dauern, bis wir unsere konkreten Zukunftspläne öffentlich bekannt geben.

Gibt es noch etwas, was Sie unseren Lesern auf den Weg mitgeben möchten? Worauf sollten junge Unternehmer achten?

Girish Mathrubootham: Wichtig ist es, die eigenen Stärken auszuspielen. Junge Unternehmer sollten immer versuchen, in einem bestimmten Bereich, in dem man die Goldmedaille holen kann, zur Weltklasse zu gehören, und mit Leidenschaft seine Ziele zu verfolgen.

Wenn ein Unternehmen wächst, kann es leicht passieren, dass man sich als Unternehmer von den verschiedensten Dingen ablenken lässt. In der Anfangszeit sollte der Fokus jedoch uneingeschränkt auf der Entwicklung des Produkts liegen. Ein Unternehmen, das ein großartiges Produkt anbietet, ist sehr gut aufgestellt.

Freshworks

Freshworks kreiert Lösungen für Support und Vertrieb - und ist die Muttergesellschaft hinter der Produktreihe, zu der unter anderem Freshdesk, Freshservice, Freshsales, Freshcaller, Freshteam, Freshchat und Freshmarketer gehören.

Derzeit investiert Freshworks kräftig in den Ausbau des deutschen Standorts und hat sein Büro in der Alten Jakobsstraße für momentan 40 Mitarbeiter vergrößert. Bis zum Jahresende sollen 70 Mitarbeiter vom Berliner Büro aus für den DACH-Markt tätig sein.

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