Ein Startup gründen muss normal sein
Es ist ein langer Weg von der Existenzgründung zum Entrepreneurship. Zwar gibt es mittlerweile mehr als 120 Entrepreneurship-Lehrstühle an deutschen Hochschulen, doch ist deren Ausrichtung auf Innovation und Wachstum und damit ihre Relevanz in den regionalen Gründungsnetzwerken ausbaufähig. Und auch der politische Fokus auf Innovation und Digitalisierung ist richtig und notwendig, aber nicht hinreichend. Unternehmerisches Denken und Handeln (Entrepreneurship) gehören in die Curricula aller Fakultäten.
Beim Entrepreneurship, das seit mehr als zehn Jahren ein prioritäres Bildungsziel der Europäischen Union ist, steht nicht mehr länger der Versuch im Vordergrund, kurzfristig Arbeitsplätze zu schaffen und verlorenes, persönliches Einkommen zu ersetzen. Dies ist die alte Welt der Existenzgründerinitiativen von Politikern der 1980er- und 1990er-Jahre, die mithilfe der Existenzgründerförderung ihre Arbeitslosenstatistiken verbessern wollten.
Experimentieren mit neuester Technologie
Hinter Entrepreneurship steht eine grundlegend andere ökonomische Zielsetzung. Hinter Startups stehen Nerds, Visionäre, Dickköpfe, Querdenker, engagierte Weltverbesserer sowie institutionelle und private Investoren, die ökonomische Ziele verfolgen. Sie wollen Wertschöpfung erreichen und das eingesetzte Kapital vermehren. Sie gehen Risiken ein, experimentieren mit neuester Technologie, erproben innovative Geschäftsmodelle und messen den ökonomischen Nutzen. Das Feedback der Marktteilnehmer ist entscheidend – und das ist auch gut so.
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Für Entrepreneurship braucht es eine andere Persönlichkeit als für die Leitung strategischer Geschäftseinheiten in großen Organisationen, die bekannte Strukturen optimiert und politisch geschickt agieren muss. Ein Entrepreneur verfolgt innovative wirtschaftliche Ziele, ohne bereits die Wege zu kennen, geschweige denn über die notwendigen Ressourcen zu verfügen. An der Harvard Business School lautet die Definiton:
„Entrepreneurship is the pursuit of opportunities beyond resources currently controlled!“
Entrepreneure passen in keine Schublade. Sie sind manchmal Idealisten, manchmal von extremer Leistungsorientierung geprägt, und der Social Entrepreneur wird immer populärer. Aber manche Entrepreneure sind auch Egomanen und Selbstdarsteller. Es sei an den genialen Apple-Werbespot zur Think-Different-Kampagne im Jahre 1997 erinnert, der die Vielfältigkeit der unternehmerischen Persönlichkeit in unnachahmlicher Weise zur Geltung brachte. In diese Richtung argumentiert auch Günter Faltin, der in seinem Buch „Kopf schlägt Kapital“ eine unternehmerische Zeitenwende in Deutschland angestoßen hat, wenn er Schopenhauer mit den Worten „Der Spleen ist oft das Beste am Menschen“ zitiert.
Erfolgreiche Geschäftsmodelle brauchen Zeit
Dass man als Entrepreneur einen erfolgreichen Lebensweg einschlagen kann, spricht sich auch an deutschen Hochschulen langsam herum. Auch, dass man mit Entrepreneurship reich werden kann. Aber es sind die wenigsten Absolventen, denen das in der erhofft kurzen Zeit gelingt. Vielmehr geht es um das Wissen, dass die Entwicklung neuer, am Markt erfolgreicher Geschäftsmodelle Zeit braucht. Der deutsche Unternehmensgründer Peter Schwenkow sprach einmal von den biblischen Sieben-Jahres-Zyklen als Unternehmer.
Zuerst, sagte er, kommen die sieben harten Jahre, dann die sieben fetten Jahre. Hier machte er eine Pause und fügte hinzu: „Dann kommen die sieben superfetten Jahre.“
Schwenkows Beobachtung deckt sich mit der Venture-Capital-Forschung. Dort beträgt die durchschnittliche Haltedauer eines Investments gemäß einer Studie von EY sechs bis zehn Jahre. Dies wird auf vielen Startup-Events gern vergessen, wenn wieder einmal das Hohelied vom Beginn des Erfolgs der Samwer-Brüder (Gründung und Exit mit dem Ebay-Klon Alando in sechs Monaten im Jahre 1999) angestimmt wird.
[clickToTweet tweet=”Entrepreneurship Education ist Sache der Einstellung zu Innovation, sagt @Eship_Ripsas von der #HWR” quote=”Entrepreneurship Education ist Sache der Einstellung zu Innovation, sagt @Eship_Ripsas von der #HWR”]
Bei Entrepreneurship Education geht es um die Entwicklung der richtigen Einstellung zu Innovation und Ökonomie. Aus der Verhaltensforschung ist bekannt, dass, wer ein Ziel als attraktiv empfindet und über die Kenntnisse zur Realisierung verfügt, es mit großer Wahrscheinlichkeit verfolgen wird. Natürlich ist die Beschäftigung als Ingenieur in den staatlichen und halbstaatlichen Forschungsinstituten ein attraktives Ziel, ebenso wie eine Karriere als Professor, Richter oder Arzt. Aber es muss in unserer Gesellschaft genauso attraktiv und normal sein, mit den Ideen aus dem Hochschulumfeld ein eigenes Startup zu gründen. In diesem Sinne: Entrepreneurship, Baby, Entrepreneurship.Sven Ripsas ist Professor für Entrepreneurship an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin. Seine Forschungsschwerpunkte sind Geschäftsmodellentwicklung, Key Performance Indicators, Entrepreneurial Ecosystems und Entrepreneurship Education. Seit Sommer 2012 leitet er verschiedene Forschungsprojekte, unter anderem den Deutschen Startup Monitor, das „Startup Cockpit“ und Benhu, das Berliner Entrepreneurship Netzwerk für Hochschulen und Unternehmen. Der 50-Jährige ist aktiver Triathlet und Yogalehrer.