Drohnenabwehr-Startup Dedrone:

„Echt Star Wars“

04/12/2017
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Während man in Deutschland den Einsatz von Drohnen gesetzlich reguliert, zogen die Gründer des Kasseler Startups Dedrone ins Silicon Valley und entwickelten dort eine ganzheitliche Lösung zum Schutz vor unbemannten Flugobjekten.

Was genau ist Dedrone?

Jörg Lamprecht: Drohnen werden immer leistungsfähiger, tragen mehr Last, erreichen höhere Reichweiten. Kriminelle Handlungen werden da zur Herausforderung. Daher brauchen wir ein Frühwarnsystem für den Luftraum, ähnlich einer Einbruchmeldeanlage fürs Haus. So ist vor drei Jahren die Idee zu Dedrone entstanden.

Die Dedrone-Gründer unter sich: Dr. Ingo Seebach, Jörg Lamprecht und Rene Seeber (Bild: Dedrone)

Welche Gefahren stecken hinter dem Einsatz von Drohnen und wie unterscheidet ihr zwischen Drohnenerkennung, -identifikation und -abwehr?

Jörg Lamprecht: Drohnen heben heute bis zu 100 Kilogramm. Irgendwann können wir unsere Kinder damit zum Kindergarten fliegen. Aber man kann eben auch Gefangene befreien oder illegale Kurierfahrten ermöglichen. Mittlerweile gibt es Drohnen, die mit Schusswaffen, Flammenwerfern oder Kettensägen ausgerüstet sind. Oder sie werden mit Hacking Devices wie Rasperry Pie ausgestattet, die sich in Unternehmensnetzwerke einhacken und Daten stehlen. Man muss erkennen, dass es sich um eine Drohne handelt und sie im nächsten Schritt identifizieren. Ist es eine Phantom 2 oder eine DGI Inspire 2, und wo sitzt der Pilot dazu? Im dritten Schritt werden die entsprechenden Gegenmaßnahmen eingeläutet, Signalstörungen oder kinetische Möglichkeiten, um die Drohne frühzeitig abzufangen.

„Jede Drohne korrespondiert mit einer Fernsteuerung auf dem Boden. Diese erfassen und orten wir“

Wie stellt ihr es technisch an, den Luftraum bestimmter Bereiche zu schützen?

Jörg Lamprecht: Wir nutzen Sensoren wie Frequenzscanner, Kameras oder Mikrofone. Zunächst analysieren wir Funkfrequenzen, denn jede Drohne korrespondiert mit einer Fernsteuerung auf dem Boden. Diese erfassen und orten wir. Zudem scannen wir den Himmel mit Kameras. Dabei arbeiten wir mit Mustererkennung, um Drohnen von Vögeln oder Helikoptern zu unterscheiden. Zusätzlich nutzen wir Mikrofone und Radarsysteme.

Und wie wehrt man Drohnen ab?

Jörg Lamprecht: Das Abwehren ist relativ einfach: Jamming, Fachbegriff für eine Signalstörung, gibt es schon seit 50 Jahren. Es wird zumeist verwendet, um Handysignale zu stören, kann aber auch für Drohnen zuverlässig eingesetzt werden. Dadurch wird die Drohne von ihrer Bodenstation entkoppelt und zur Landung oder zum Umkehren gezwungen. Diese Technologie ist nicht neu, aber sehr wirkungsvoll.

Unliebsame Besucher haben mit Dedrone keine Chance (Bild: Dedrone)

Welche Plätze sind aus eurer Sicht besonders schützenswert?

Jörg Lamprecht: Jeder, der einen Zaun hat, hat ihn aus einem bestimmten Grund: Ich möchte nicht, dass Menschen über mein Grundstück laufen und irgendetwas tun. Daher brauchen wir ein Äquivalent zum Zaun für die Luft. Und natürlich gibt es potenziell kritische Ziele wie Atomkraftwerke, Wasserdämme oder Wasservorratsspeicher. Rechenzentren haben nicht selten ihre Infrastruktur auf dem Dach. Wenn eine Drohne die Lüftung und die Klimaversorgung lahmlegt, hätte das den Ausfall der gesamten Anlage zur Folge.

Aus welchen Branchen kommen eure Kunden?

Jörg Lamprecht: Beispielsweise deutsche Autohersteller, die vermeiden wollen, dass ihre neuen Modelle bei Testfahrten gesehen werden beziehungsweise vorzeitige Bild- oder Filmaufnahmen davon gemacht werden. Auch Rechenzentren im Silicon Valley oder Botschaften in Südamerika. Wir haben eine starke Nachfrage im Bereich Veranstaltungssicherheit, zum Beispiel Fußballstadien oder NFL Arenen, also überall dort, wo sich Menschen versammeln und wo eine Drohne verheerende Auswirkungen haben könnte. Wir haben über 200 Installationspartner, beispielsweise World Wide Technologies (WWT), einen Systemintegrator aus den USA. Das Unternehmen ist in Deutschland eher unbekannt, ist jedoch der zweitgrößte Systemintegrator für Cisco mit über zehn Milliarden US Dollar Umsatz.

„Ein typisches Startup in Deutschland hat neun Ingenieure und einen Vertriebler. In den USA sind es neun Vertriebler und ein Ingenieur“

Wie ist es Euch als jungem Startup gelungen, so einen Big Player am Markt für Euch zu gewinnen und mit ihm eine weltweite Distribution aufzubauen?

Jörg Lamprecht: Wir mussten wirklich viele Gespräche führen und viele potenzielle Partner haben uns nicht mal angehört. In den USA ist die Unternehmensstruktur anders als in Deutschland: Ein typisches Startup in Deutschland hat neun Ingenieure und einen Vertriebler. In den USA sind es neun Vertriebler und ein Ingenieur. Der Fokus liegt auf dem frühen Kundenzugang. Die Unternehmen, die von Anfang an ein starkes Sales-Team aufbauen, werden zumeist auch erfolgreich. Unternehmen, die sich zu sehr auf ihr Produkt und ihre Technologie konzentrieren, laufen Gefahr, in Schönheit zu sterben. Es muss ein starker Hands-on-Vertrieb dabei sein.

Wer sind eure Investoren und wonach selektiert ihr diese?

Jörg Lamprecht: Unsere erste Seed-Runde war 2015 in Deutschland. Mit diesem Geld haben wir einen Prototypen gebaut, um damit in die USA zu gehen. Ab Januar 2016 haben wir dann im großen Stil Investoren im Silicon Valley abgeklopft. Im Mai 2016 haben wir dann eine Series A mit Menlo Ventures über zehn Millionen US-Dollar abgeschlossen. Menlo Ventures ist einer der Top 10 VCs im Silicon Valley mit einem Wahnsinns-Track-Record – unter anderem sind sie Investor von Uber und Siri. Im Februar 2017 haben wir dann in der B-Runde 15 Millionen US-Dollar von Felicis Ventures eingesammelt. Auch John Chambers, der jahrelang CEO von Cisco war und heute im Aufsichtsrat sitzt, hat privat bei uns investiert.

Somit habt in drei Jahren circa 28 Millionen US-Dollar eingesammelt. Wofür investiert ihr das?

Jörg Lamprecht: Wir haben jetzt eine schlagkräftige Vertriebsorganisation in den USA aufgebaut. Aber es dauert auch sechs bis neun Monate, bevor sie anfangen, das Produkt zu verkaufen. Diese Zwischenzeit muss finanziert werden. Skalieren ist teuer, wenn man es zügig machen will. Die deutschen Unternehmen lassen sich dafür ja gerne mal hundert Jahre Zeit. In den USA muss das schneller gehen.

Euer Pricing beginnt bei 7000 Euro. Wie groß können Projekte werden?

Jörg Lamprecht: Die großen Projekte liegen im Bereich von 20 bis 30 Millionen, wobei die durchschnittliche Größe ungefähr 150.000 bis 200.000 US-Dollar beträgt, beispielsweise bei Stadien oder großen Headquarters. Aber es geht auch kleiner: Mit einzelnen Sensoren kann man schon viel machen.

„so gibt kein Gesetz der Welt, das eine Drohne aufhalten würde, das zu tun, was sie tun will“

Was sind aus deiner Sicht eigentlich die größten Interessenkonflikte in der Drohnenbranche? Du kennst ja beide Seiten.

Jörg Lamprecht: Internet und Mobiltelefonie haben neu definiert, wie wir Produkte wahrnehmen oder generieren. Ich bin überzeugt, dass Drohnen ähnlich beeinflussen werden, wie wir in Zukunft Logistik betreiben, Stadtentwicklung dokumentieren oder Daten aggregieren. Natürlich entsteht ein Sicherheitsproblem, das man technisch lösen muss. Es gibt kein Gesetz der Welt, das eine Drohne aufhalten würde, das zu tun, was sie tun will. Es gibt ja auch Gesetze gegen Einbruch, Diebstahl oder Mord, aber das Gesetz alleine langt nun mal nicht.

Elon Musk hat vor kurzem vor der Entwicklung autonomer KIs gewarnt, gerade bei Kampfsystemen. Wie stehst du zu dem Thema?

Jörg Lamprecht: Wenn günstige Drohnen zehn Kilogramm tragen, einen Autopilot haben und autonom über ein paar Kilometer hinweg fliegen, dann können sie großen Schaden anrichten. Terrormilizen werfen Handgranaten in Mossul mit Hilfe von Drohnen ab. Ein ähnliches Szenario ist auch in unseren Städten denkbar, denn das ist einfach, schnell zu machen und vor allem erwerbbar. Nimm eine Drohne und hänge eine Flasche Coca Cola drunter, zeichne noch ein Giftzeichen darauf und fliege damit in ein Stadion. Wenn Du die Cola dann über die Menschen sprühst, reicht das, um Panik entstehen zu lassen.

„Es ist nur eine Frage der Zeit, bis es auch große Vorfälle geben wird“

Wie hat sich die Welt der Drohnen verändert, seit ihr Dedrone gegründet habt?

Jörg Lamprecht: Als wir Dedrone gegründet haben, da war das ganze Thema noch Science Fiction. Dedrone war echt wie Star Wars. Doch nun vergeht kaum ein Tag, an dem nicht irgendwo auf der Welt ein Vorfall mit einer Drohne geschieht. Sei es, dass eine Drohne einen Airliner beim Landen hindert oder vor dem Weißen Haus abstürzt. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis es auch große Vorfälle geben wird. Schlaue Terroristen werden sich doch nicht mehr selbst in die Luft sprengen. Die nehmen lieber eine Drohne.

Vor kurzem ist die neue Drohnenverordnung in Kraft getreten. Wie stehst du dazu?

Jörg Lamprecht: Diese Gesetze sind in erster Linie ein Akt der Hilflosigkeit. Man muss aufpassen, nicht zu viele Gesetze zu erschaffen, die den Innovationszyklus beschränken. Wenn man den innovativen Unternehmen Stolpersteine vor die Füße wirft, dann geht an die Wirtschaftsleistung an Deutschland vorbei.

„Es gibt keine anderen Unternehmen auf der Welt, die so weit sind wie wir Deutschen“

Also wäre ein Drohnenführerschein aus deiner Sicht eher kontraproduktiv?

Jörg Lamprecht: Eine Einweisung ist zielführend. Wir haben zwei Unternehmen in Deutschland, die Lufttaxis herstellen, Lilium aus München und E-Volo aus Karlsruhe – das ist doch geil! Da sind wir doch wirklich vorne dabei. Es gibt keine anderen Unternehmen auf der Welt, die so weit sind wie wir Deutschen. Aber trampelt jetzt nicht mit den Gesetzen und Vorgaben darauf rum. Es ist ein schönes, nettes Pflänzchen: gießen, liebhaben, wachsen lassen. Proaktiv begleiten, und wenn ich nur ein Testgelände in einem dünn besiedelten Bundesland zur Verfügung stellen.

Mit welchen gravierenden Veränderungen rechnest du in den kommenden Jahren?

Jörg Lamprecht: Grundsätzlich wird es von allem mehr geben: Mehr Drohnen und mehr Applikationen für Drohnen. Zum Beispiel Lieferdrohnen, die autonom von A nach B fliegen. Der Luftraum ist ein völlig unbearbeitetes Feld mit unendlichem Raum für Innovation. Das stellt jedoch Herausforderungen an das Flugplan-Management und die Infrastruktur. Dabei geht es vor allem um das Sicherstellen der Kollisionsfreiheit. Das geht auch einher mit unserer Wahrnehmung über autonom fahrende Systeme. Autonome Systeme werden Innovationstreiber für die nächsten zehn Jahre.

Das Interview führte Nils Lennard Behrens.[td_block_text_with_title custom_title=”JÖRG LAMPRECHT”]Jörg Lamprecht hat bereits mehrere Unternehmen gegründet, aufgebaut und zu erfolgreichen Exits geführt. Under anderem Aibotix, einem Hersteller von Premium-Drohnen für Vermesser und Ingenieure, das im Februar 2014 von dem schwedischen Konzern Hexagon gekauft wurde. Jörg Lamprecht ist einer der Mitgründer von Dedrone und leitet das internationale Team von nun mehr als 70 Mitarbeitern seit der ersten Geburtsstunde.

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