Was Corporates nicht von Startups lernen können
Das Comeback der Konzerne: „Der Stahlriese Klöckner lernt, wie ein Startup zu denken.“ – „Auch die Lufthansa fliegt jetzt auf deutsche Startups.“ – „Bei Daimler wird bald wie in einem Startup gearbeitet“: Solche Neuigkeiten waren vor zwei oder drei Jahren noch etwas Besonderes, heute begegnen sie einem fast täglich. Kein Wunder: 65 Prozent aller CEOs fürchten sich laut einer globalen Studie von KPMG, von innovativen Startups und der Digitalisierung disruptiert zu werden. Und dies zu Recht, denn die Lebenserwartung der 500 größten, öffentlich gelisteten Unternehmen liegt inzwischen bei nur noch 18 Jahren – statt bei 60 Jahren wie in der Mitte des 20. Jahrhunderts.
Das Comeback der Konzerne
Gleichzeitig scheinen disruptive Startups, die Innovationen kundenzentriert entwickeln und agil umsetzen, wie Schnellboote an den Konzern-Tankern vorbeizuziehen. Einige Jahre haben sich die etablierten Unternehmen dieses Treiben der Startups angeschaut: zunächst aus der Ferne, dann bei Learning Journeys im Silicon Valley, Startup-Konferenzen in Berlin und CEO-Workshops. Denn die Lösung für die großen Unternehmen lag auf der Hand: Sobald die Methoden der Startups entschlüsselt sind, können mit diesen bestimmt auch bei den Großkonzernen kundenzentrierte, disruptive Innovationen entwickelt werden. Jedoch wurde übersehen, dass es Dinge gibt, die Konzerne nicht von Startups lernen können.
Kundenzentrierte Ideenentwicklung
Dabei scheint es zunächst ganz einfach: Innovationsmethoden der Startups wie etwa Design Thinking stellen die Bedürfnisse des Kunden in den Mittelpunkt, um anschließend möglichst frei passende kundenzentrierte Lösungen zu entwickeln. Kein Wunder also, dass sich bald auch unzählige große Unternehmen daran machten, mit eben diesen Methoden „auf der grünen Wiese“ kundenzentrierte Ideen zu entwickeln. Nur umsetzen lassen sich diese Ideen in der Regel nicht. Denn im Gegensatz zu den Startups befinden sich Ideen bei Konzernen eben nicht auf der grünen Wiese, sondern in einem „Brownfield“ aus unzähligen vorhandenen Strukturen, Prozessen, Kanälen, Hierarchien usw. Und so scheitern die meisten Ideen schlussendlich oder werden bis zur Unkenntlichkeit angepasst. Der Harvard-Professor Clayton Christensen gab diesem Phänomen alsbald einen Namen: das „Innovator’s Dilemma“.
Agile Umsetzung in separaten Innovationseinheiten
Glücklicherweise präsentierte Christensen in seinem gleichnamigen Weltbestseller einige Jahre später die „Innovator’s Solution“ für etablierte Unternehmen: Statt von Startups nur die Ideenentwicklung zu kopieren, sollte auch die Umsetzung wie bei den Startups erfolgen. Folgerichtig wurden die Ideen ausgelagert und in Berlin tummeln sich heute Innovation Hubs und Future Labs deutscher Großunternehmen, um dort lean und agile Startups wie am Fließband zu produzieren – stets in der Hoffnung, dass diese Schnellboote dann irgendwann den Tanker ziehen oder sogar ersetzen können.
Innovation Hubs ohne Mehrwert
Eine aktuelle Studie der Zeitschrift Capital hat aufgedeckt, dass es kein einziges der untersuchten deutschen Innovation Hubs bisher schafft, einen betriebswirtschaftlichen Mehrwert für den jeweiligen Konzern zu leisten. Kein Wunder, denn wenn Konzerne in ihren separaten Einheiten genauso wie jedes andere Startup agieren, haben sie auch die gleiche Erfolgschance wie diese. Und diese ist aus der Perspektive eines großen Unternehmens sehr gering: Die Wahrscheinlichkeit, mit einem neuen Unternehmen einen für Großunternehmen signifikanten Wertbeitrag von zum Beispiel mindestens 100 Millionen Dollar zu erreichen, liegt laut einer Studie von Bain bei nur eins zu 500, für einen Wertbeitrag von 500 Millionen Dollar und langfristiges, profitables Wachstum sogar nur bei eins zu 17.000! Dies erinnert wohl eher an Lottospielen als an systematische, erfolgreiche Innovation. Klar: Wer nicht Lotto spielt, kann auch kein LottoMillionär werden. Doch ist es wirklich anzuraten, die Zukunft eines ganzen Konzerns auf solch geringe Erfolgswahrscheinlichkeiten zu fußen?
Mit effizienten Innovationen den Kampf gegen disruptive Startups gewinnen
Es gibt Hoffnung: Im Gegensatz zu den Startups haben die etablierten Unternehmen bereits vorhandene Stärken wie optimierte Prozesse, Kunden, Marken, Netzwerke, Finanzkraft. Wenn sie es schaffen, diese für neue, kundenzentrierte Innovationen zu nutzen, steigen die Erfolgschancen um mehr als das 2.000-Fache auf eins zu acht. Dafür reicht es jedoch nicht, von Startups zu lernen. Diese sind zwar ein guter Startpunkt, doch muss mit neuen, speziell für Großunternehmen entwickelten Methoden neben der durchaus wichtigen Kunden- und Marktperspektive auch das vorhandene Kerngeschäft der Unternehmen mit in die Innovationsentwicklung einbezogen werden. Mit einer solchen „effizienten Innovation“, also einer Kombination aus hohem Kundenfit und hoher Traktion durch das Hebeln vorhandener Stärken, kann den Konzernen ein Comeback im Innovationswettkampf gelingen!
[td_block_text_with_title custom_title=”BUCH-TIPP”]„Das Comeback der Konzerne: Wie große Unternehmen mit effizienten Innovationen den Kampf gegen disruptive Start-ups gewinnen“, Vahlen Verlag, 220 Seiten, das-comeback-der-konzerne.de