Christian Vollmann:

Auf der Suche nach der Delle im Universum

18/11/2017
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„Aus Langeweile heraus habe ich beschlossen, zusammen mit einem Freund eine Firma zu gründen“

Du stammst eigentlich aus Süddeutschland, lebst aber seit 2001 in Berlin. Was hat dich hergeführt?

Christian Vollmann: Aufgewachsen bin ich in einem kleinen Dorf in der Nähe von Bamberg. Ich habe an der Otto Beisheim School of Management (WHU) in Vallendar studiert und kam für ein Praktikum nach Berlin. Beides war eher ein Zufall. Ich wollte eigentlich Kinderarzt werden und absolvierte 1996 meinen Zivildienst in einer Kinderklinik. Dabei habe ich mir das Handgelenk gebrochen und konnte drei Monate nicht arbeiten. Aus dieser Langeweile heraus habe ich dann beschlossen, zusammen mit einem Freund eine Firma zu gründen. Wir haben uns HTML beigebracht und Webseiten verkauft. Dabei habe ich entdeckt, dass mir das Verkaufen mehr Spaß macht als das Programmieren. Dadurch ist dann die Erkenntnis gereift, dass ich vielleicht doch besser BWL studieren sollte. Dazu muss ich allerdings anmerken, dass der Klinikalltag auch wirklich grauenvoll war.

Dann also zum Studium an die WHU?

Christian Vollmann: Auch eher ein Zufall. Eigentlich hatte ich mir das ESB-Reutlingen-Programm ausgesucht, wo du irgendwie zwei Jahre im Ausland studierst und viele Praktika machst. Die WHU kannte ich gar nicht. Ein Freund hatte mich auf deren Aufnahmetest hingewiesen und meinte, der WHU-Test könnte ein guter Testlauf sein für die Aufnahmeprüfung in Reutlingen. Laut meinem Freund war es sowieso unmöglich, den Test zu bestehen, weswegen ich auch ganz tiefenentspannt hingefahren bin. Und dann habe ich den Test doch bestanden. Also habe ich mich näher mit der Uni beschäftigt und festgestellt, dass sie anscheinend richtig gut ist, aber auch unglaublich teuer. Das Studium an der WHU kostete damals 48.000 DM für acht Semester. Meine Eltern – und dafür bin ich ihnen extrem dankbar – sagten ohne zu zögern: „Wenn es das ist, was du machen willst, dann zahlen wir dir das.“ Dabei ist es wichtig zu erwähnen, dass meine beiden Eltern gegen Kriegsende geboren wurden und auf dem Land groß geworden sind. Beide kamen aus kinderreichen Familien und Geld fürs Internat gab es nur für den ältesten Sohn, wodurch meine beiden Eltern aus finanziellen Gründen weder aufs Gymnasium gehen noch studieren konnten. Ihre Lehre daraus war: „Die Bildung unserer Kinder ist das Wichtigste, daran wird nicht gespart.“

„Hier ist dein Tisch. Hier sind ein paar CDs. Du bist jetzt Content Manager Music“

So entsteht natürlich auch ein gewisser Erfolgsdruck, oder?

Christian Vollmann: Genau. Ich kam aus der WHU raus mit dem ganz klaren Auftrag an mich selbst: „Ich stehe da in der Pflicht.“ Und auch wenn ich das Geld nicht zurückzahlen musste, wollte ich meinen Eltern beweisen, dass sich das Investment in mich gelohnt hat. Und deshalb wollte ich damals auch wirtschaftlichen Erfolg haben, daraus mache ich überhaupt keinen Hehl. Eine Art Payback-Mentalität.

Die Idee zu Nebenan.de hat Christian Vollmann lange verfolgt (Bild: Johannes Räbel

Noch während deines Studiums hast du Oliver Samwer kennengelernt, der gerade Alando in Berlin gestartet hatte.

Christian Vollmann: Das war eine ganz lustige Geschichte. Wir mussten ja alle ein Pflichtpraktikum machen. Damals gab es eigentlich nur Praktika in der Beratung oder im Investment-Banking. Alle Kommilitonen hatten sich schon längst um ihre Praktikumsplätze gekümmert, nur ein Kommilitone und ich wussten nicht, was wir machen sollten. Und dann erzählte uns jemand von Alando und einem gewissen Oliver Samwer, den zu diesem Zeitpunkt noch keiner kannte. Und so kam eins zum anderen. Fünf Tage vor dem geplanten Beginn – ich war noch in Vallendar – rief uns Oli an und meinte, wir sollen unbedingt morgen schon anfangen. Einen genaueren Grund nannte er nicht. Also kamen wir ziemlich hektisch nach Berlin und haben tatsächlich am Freitagmorgen angefangen. Quasi mit Betreten des Raums kam Oli zu mir und meinte: „Hier ist dein Tisch. Hier sind ein paar CDs. Gleich kommt ein Mann durch die Tür und wenn der fragt, was du machst, antwortest du, dass du Content Manager Music bist und für Angebot und Nachfrage im Musikbereich sorgst.“ Der Mann, der durch die Tür kam, war Pierre Omidyar von Ebay und es war der Tag, an dem Ebay Alando gekauft hat. Das Team bestand ja nur aus neun Leuten. Und ohne meinen Kommilitonen und mich hätte das Büro zu leer ausgesehen. Die Phase bei Alando war auf jeden Fall ein echter Eye-Opener. Unterbewusst hatte ich sofort verstanden: Internet will change everything. Glück und Intuition sind eng verbandelt.

„Oliver Samwer war jahrelang ein Mentor für mich“

Mit Alando hast du also Startup-Blut geleckt. Wie ging es weiter?

Christian Vollmann: Mein zweites Praktikum war bei Mundwerk, also Project 49. Das war das Startup von Christian Weiss, Max Moldenhauer und Christian Schwagen. Ein kleiner Mythos, bei dem exzellente Leute als Praktikanten gearbeitet hatten, unter anderem Lukasz Gadowski. Jeder zweite Praktikant hat dann selbst gegründet. Es war quasi eine Ausbildungsstätte für die Leute, die geschnallt hatten, dass das Internet ein Game-Changer ist. Als ich von dort zurück zur WHU kam, platzte die Tech-Blase. Trotzdem: Ich wollte unbedingt Consumer Internet machen. Berlin war dabei definitiv der zweite Eye-Opener. Ich kam ja wie gesagt aus einem kleinen Dorf mit 1200 Einwohnern und hatte in Vallendar studiert, einer „Weltstadt“ mit 20.000 Einwohnern. Und dann eben Berlin, als Stadt der Freiheit, die kurz nach der Jahrtausendwende gerade erwachte – einfach der perfekte Rahmen. Als dann Oliver Samwer auf mich zukam und mich gefragt hat, ob ich iLove für ihn aufbauen will, habe ich ja gesagt.

Gute Stimmung beim Edarling-Gründerteam (Bild: Edarling)

Du warst also eher Angestellter und kein Gründer. War das eine gute Entscheidung?

Christian Vollmann: Oliver Samwer war jahrelang ein Mentor für mich. Ich habe sehr viel von ihm gelernt: Execution, Schnelligkeit, Entscheidungsfreude, Risikobereitschaft, Skalierung. Ohne ihn würde ich hier nicht sitzen. Irgendwann realisiert man aber, dass es auch Sachen gibt, die man sich besser nicht abschaut. Die Zeit bei Ilove war großartig. Ich hatte nichts zu verlieren und habe in zweieinhalb Jahren eine Firma von Null auf 25 Millionen Umsatz gebracht, die auch noch profitabel war. Ich habe mich eigentlich um alles gekümmert. Also sehr viel Online-Marketing, aber natürlich auch die Produktentwicklung. Natürlich sagt man sich hinterher: Hätte ich mal besser verhandelt und um Anteile gekämpft. Meine Verhandlungsposition war einfach echt beschissen. Da kommst du nicht auf die Idee zu sagen: „Lass doch Jamba 95 Prozent haben und gib mir fünf.“ Aber ich habe unglaublich viel gelernt. Das war eine Gründung ohne Upside, aber auch ohne Downside.

„If you are not embarrassed by the first version of your product, you’ve launched too late“

Mit Myvideo kam deine erste eigene Gründung, mit den Samwers als Investoren. Wie kam es zu der Idee?

Christian Vollmann: Myvideo war sehr spannend. Es gab extrem starkes Wachstum und das Projekt ging total viral, explodierte förmlich. Ich hatte den Hockeystick von Youtube gesehen und mich gefragt, warum das niemand in Deutschland macht. Drei Tage später hatte ich ein Team und die erste Finanzierung von den Samwers geraised. Sieben Wochen danach war die Seite live. Dementsprechend sah sie dann auch aus. Es war sicher kein Highlight, aber den Spruch „If you are not embarrassed by the first version of your product, you’ve launched too late“ (Reid Hoffman, Anm. d. Red.) würde ich absolut unterschreiben. Aber alle Grundfunktionalitäten waren vorhanden. Drei Tage später gingen dann Tom Bachem und Ibrahim Evsan mit Sevenload.de, quasi aus dem Nichts, online. Später fand ich heraus, dass sie 13 Monate lang an der Seite programmiert hatten. Sevenload sah viel besser aus als Myvideo. Doch uns ist es schließlich gelungen, das deutlich schlechtere Produkt in den Markt zu drücken.

Also das Glück, der erste im Markt gewesen zu sein?

Christian Vollmann: Ja. Der frühere Launch war entscheidend. In den Augen der Presse war Myvideo von Anfang an das deutsche Youtube. Und dadurch und aufgrund der selbstverstärkenden Netzwerkeffekte wird es dann für Konkurrenten schwierig, das wieder aufzuholen. Im nächsten Schritt haben wir dann Myvideo Frankreich gelauncht. Hier lief es sogar noch besser und das Wachstum war noch steiler. Leider war Bandbreite im Jahr 2006 noch richtig teuer. Mit unserem explosionsartigen Erfolg stiegen auch die Kosten und wir mussten konstant Geld nachschießen. Zeitweise steckten bis zu 80 Prozent meines privaten Vermögens in dem Projekt. Speziell in Frankreich waren die Kosten immens, denn dort lief es richtig gut. Doch aufgrund der hohen Kosten ging uns das Geld aus. Trotz perfekten Wachstums standen wir mit dem Rücken zur Wand. Daher haben wir irgendwann die Entscheidung getroffen, Frankreich wieder abzuschalten. Wir haben uns quasi ein eigenes Bein abgeschnitten, um zu überleben.

Das Büro von Nebenan.de in Friedrichshain-Kreuzberg (Bild: Johannes Räbel)

Klingt nach einer harten Entscheidung. Wollten die Samwers das Projekt nicht stützen?

Christian Vollmann: Gekonnt hätten sie es. Das nicht zu tun, war vielleicht im Nachhinein ein Fehler. Wir hätten dort sicher auch Marktführer werden können und es hätte Dailymotion vielleicht nie gegeben, was damals für 250 Millionen an Yahoo gehen sollte. Aber wer richtige Entscheidungen trifft, trifft auch mal falsche. Aber wenn du Oliver Samwer mit so einer Diskussion kommst, winkt er sofort ab und sagt: „Es bringt nichts, jetzt ‚hätte, wäre, wenn‘ zu spielen.“ Oli will nie über die Vergangenheit sprechen, sondern schaut immer nach vorne. Wobei er immerhin mal zugegeben hat, dass es ein großer Fehler war, Alando nach fünf Monaten an Ebay zu verkaufen.

Echt?

Christian Vollmann: Das gibt er öffentlich zu, ja. Dazu muss man verstehen, dass Alando zu Ebay Deutschland wurde. Und ganz ehrlich, wenn du mal in diesen Netzwerkeffekten drin bist, kannst du da eigentlich Affen hinsetzen. Soll heißen, Alando wäre auch ohne Ebay zur größten Auktionsplattform Deutschlands geworden. Und Ebay Deutschland war umsatzmäßig der zweitgrößte Marktplatz für Ebay und prozentual der profitabelste weltweit, profitabler als die USA.

„Hier ist das deutsche Youtube“

Wie ging mit Myvideo weiter?

Christian Vollmann: Mit dem Abschalten von Frankreich haben wir uns etwas Zeit erkauft. Diese Zeit haben wir genutzt, um Prosieben als Investor an Bord zu holen. Prosieben hat Geld für Equity investiert und obendrein haben wir auch noch Media bekommen. Es ging ja auch um gute Inhalte: Outtakes und Serien und solche Sachen. So haben wir den Vorsprung gegenüber Sevenload weiter ausgebaut. Parallel hat RTL dann noch Clipfish ins Rennen geschickt. Auf der Zielgeraden lagen wir mit einem Marktanteil von 70 Prozent klar vorne, Clipfish kam auf 20 oder 25 Prozent und Sevenload war weit abgeschlagen. Mit Tom Bachem bin ich heute immer noch eng befreundet. Er wäre auch um ein Haar unser CTO geworden. Wenn du ihn heute fragst, was sein Haupt-Learning war, würde er wahrscheinlich sagen, dass er viel zu spät gelauncht hat. Hätte er einfach nur drei Monate programmiert und nur eine halbfertige Plattform veröffentlicht, dann hätte es Myvideo wahrscheinlich gar nicht gegeben.

„Ich kenne Christian schon seit Mitte 2000, den Jamba-Zeiten. Mit Christian habe ich ein paar nette Investments zusammen. Viele kennen ihn als jemanden mit einem guten Näschen für Trends und gute Gründer. Operativ ist er meines Erachtens genauso stark. Deswegen finde ich gut, dass er wieder was Eigenes macht.“ – Martin Sinner, Idealo

Würdest du den Grund dafür eher im Glück sehen oder waren bestimmte Maßnahmen und Entscheidungen ausschlaggebend?

Christian Vollmann: Myvideo war die erste Plattform am Markt, auch wenn es nur drei Tage Unterschied waren. Ich bin als Erster proaktiv auf die Presse zugegangen habe gesagt: „Hier ist das deutsche Youtube.“ Dadurch war das mediale Interesse schon stark auf uns konzentriert. Wir hatten die meisten Videos, was nicht nur für die Nutzer, sondern auch für die Content-Owner entscheidend war. Bei uns bekam jeder Upload einfach mehr Views. Und zusätzlich waren die Media-Deals entscheidend. Unterm Strich kann ich mir den Myvideo-Erfolg schon auf die Fahne schreiben. Wir haben viele Sachen richtig gemacht.

„Heute ist Moneybookers ein Unicorn“

Vor Myvideo warst du bereits als Investor aktiv. Du hast dich unter anderem sehr früh an Moneybookers beteiligt. Wie kam es dazu?

Christian Vollmann: Moneybookers ist echt eine besondere Geschichte, die aus einer Begegnung an der WHU resultierte. Während einer Veranstaltung mit Oliver Samwer kamen zwei Gründer auf ihn zu und pitchten ihre Idee, weil sie Tipps von ihm wollten. Oli hatte es jedoch eilig und verwies sie an mich. Die beiden wollten von Antigua aus Sportwetten für den asiatischen Markt anbieten, also vor allem Pferderennen in Hongkong und solche Sachen. Ich hatte davon keine Ahnung. Man muss aber wissen, dass Sportwetten in Hongkong größtenteils ein Schwarzmarkt sind, der von den Triaden kontrolliert wird, also von der Mafia. In diesen Markt zu gehen, war quasi, als würdest du schreien: „Hier, zerschlagt uns mal die Kniescheibe, weil wir wollen der Mafia jetzt das Geschäft wegnehmen.“ Das war für Investoren einfach zu heikel. Ich war aber unwissend und wir kamen ins Gespräch. Irgendwann fragten sie mich, ob ich nicht mit ihnen gründen möchte. Ich habe dann auch wirklich sehr viel Arbeit reingesteckt und auch einige Klausuren deswegen total versemmelt. Ich habe sie dann länger unterstützt, aber für mich passte das eigentlich nicht richtig. Trotzdem waren sie so fair, mir ein paar Prozent zu überlassen. Schließlich gelang es ihnen tatsächlich, einen Investor aus der Schweiz zu gewinnen, der eine Million Deutsche Mark investieren wollte, sofern ein weiterer Investor ebenfalls investieren würde. Also sprachen sie Oliver Samwer erneut an, der mich dann anrief und fragte, was ich davon halten würde. Auf meinen Rat hin haben sie tatsächlich investiert. 2003 hatten sie eine Krise, weil kein Payment-Provider mehr mit ihnen zusammenarbeiten wollte. Sportwetten sind kein einfacher Markt. Das Team hatte sich notgedrungen schon auf den europäischen Markt konzentriert und aus dieser Misslage heraus Moneybookers gegründet. Das wurde ein unglaublicher Erfolg. Und aus Moneybookers wurde später Skrill. Heute ist Moneybookers ein Unicorn.

„Christian hat ein super Gespür für tolle Geschäftsideen und denkt sehr schnell. Er ist einer der erfolgreichsten Business Angels in Deutschland, hat tollen Gründungen zum Erfolg verholfen und tolle Exits begleitet.” – Robert Maier, Ladenzeile

Auch Hitflip und Studivz waren frühe Investments von dir, richtig?

Christian Vollmann: Studivz war mein allererstes Investment. Da habe ich etwa 3000 Euro investiert. Im Gegenzug für ein Prozent der Anteile. Damals brauchtest du als Angel nicht so viel Vermögen, weil die Bewertungen noch ganz andere waren. Und du musst dir vorstellen: Da kam so ein Ehssan Dariani rein, der weder fertig studiert noch sonst was gemacht hatte. Der hatte nichts. Weder ein Produkt noch ein Team. Nur eine Idee und wollte dafür Geld haben. Das war ein reines Investment in einen Typen und seine Idee. Bei Hitflip (später Hitmeister) waren es im Jahr 2005 schon 10.000 Euro. Das war damals für mich eine echt relevante Größenordnung. Die wurden unlängst an Real verkauft.

Inzwischen hast du um die 70 Investments gemacht. Wie behält man da den Überblick? Bist du überhaupt nah genug an den Gründern dran?

Christian Vollmann: Das erstreckt sich ja über zwölf Jahre. Als Business Angel, der sehr früh reingeht und nur im einstelligen Prozentbereich investiert, kannst du nur in Teams investieren, die komplett eigenständig agieren. Du kannst zwar noch ein paar Tipps geben und aufpassen, dass bestimmte Fehler nicht gemacht werden. Aber wenn ich reingehen und operativ mithelfen müsste, damit es was wird, dann darf ich nicht investieren.


Das Videoportal Myvideo ist eine Gründung von Christian Vollmann und wurde 2007 für geschätzt 27 Millionen Euro an maxdome (Prosiebensat.1) verkauft. Der Service wurde im September 2017 eingestellt. myvideo.de

Das Berliner Handwerker-Startup vereinfacht und beschleunigt das Sanierungsmanagement. Was früher Wochen gedauert hat, soll mit Doozer in wenigen Augenblicken passieren. Doozer sammelte im August 2017 3,5 Mio. Euro ein. doozer.de

Betreut.de vermittelt Tagesmütter, Baby- und Tiersitter, Haushaltshilfen oder Seniorenbetreuer an Familien. Jobsuchende können sich anmelden und anderen Menschen im Alltag aushelfen. 2012 Exit an care.com aus den USA. betreut.de

Skrill, 2001 unter dem Namen Moneybookers in London gegründet, ist ein E-Geld-Institut. Skrill ermöglicht es, seine Zahlungen leicht online durchzuführen. 2007 Übernahme durch PE-Investor Investcorp für EUR 105 Mio. Euro. skrill.com

Movinga koordiniert Umzüge, vereinfacht den Prozess und senkt die Kosten. Das Berliner Unternehmen hat Investitionen von insgesamt 58 Millionen Euro eingesammelt. movinga.de

Tagmarshal hat ein GPS System entwickelt, mit dessen Hilfe die Länge der Spielrunden auf Golfplätzen kontrolliert werden kann. Anfang 2017 gab es eine zweite Investitionsrunde, angeführt durch Christian Vollmann. tagmarshal.com

Imedo.de (heute Ärzte.de) ist eine Informationsplattform zu Symptomen und Therapiemöglichkeiten und Ärzten. Das Unternehmen wurde 2015 an Müller Medien verkauft. aerzte.de

Das 2007 gegründete Live-Dating Portal Kissnofrog bietet unter anderem Video-Chats und Online-Speed-Datings an. Zu den Investoren zählen Holtzbrinck Ventures und Global Founders Capital. kissnofrog.com


Wobei die Startups dich wahrscheinlich auch wegen deiner Expertise und deines Netzwerks ansprechen, oder?

Christian Vollmann: Ja, genau. Und mein Learning ist, dass ich in dieser Hinsicht de facto ein bisschen zu viel gemacht habe. Ein anderes Thema bei Investoren ist ja immer dieses „Fear of missing out“. Das ist definitiv die schlechteste Triebfeder für ein Investment. Das sind typische Learnings, die man als Angel im Lauf der Zeit macht, abgesehen davon, dass man auch viel Geld verliert. Von meinen 70 Investments sind 25 pleite. Neun waren erfolgreiche Exits und der Rest läuft noch.

Folgst du bei deinen Investments bestimmten Mustern? Wie suchst du dir Startups aus, in die du investierst?

Christian Vollmann: Es gibt Investoren, die extrem strukturiert, strategisch und systematisch vorgehen. Die sind dann Branchenkenner, die oft eine Investment-Hypothese zugrunde legen. So war ich nie. Ich habe eigentlich immer in die Menschen investiert. Und immer, wenn ich diese Leitlinie verlassen habe, bin ich auf die Schnauze gefallen. Natürlich kannst du dir vor einem Investment immer tausend Fragen stellen. Wie groß ist der Markt? Baut das Unternehmen Wettbewerbsvorteile auf? Hat es einen echten USP? Dann kannst versuchen, die vielen Fragen rational zu beantworten. Aber dann, am Ende des Tages, wird es doch eine Bauchentscheidung und du fragst dich eher, ob der Gründer integer ist. Brennt er wirklich für das Thema? Und reicht diese Leidenschaft aus, um nicht bei den ersten Schwierigkeiten aufzugeben?

„An Christians Persönlichkeit sind mehrere Seiten spannend, die es für mich so reizvoll machen, mit ihm zu arbeiten, von ihm zu lernen und vor allem, gemeinsam etwas zu bewegen. Christian behält immer einen kühlen Kopf. Er hat immer die nötige Attention to Detail.“ – Till Behnke, Nebenan.de

Was ist die wichtigste Eigenschaft bei Gründern?

Christian Vollmann: Wahrscheinlich Resilienz, also die psychische Widerstandskraft. Leider kann man diese nicht immer sofort identifizieren. Da liegt man auch mal daneben und wird menschlich enttäuscht. Aber am Ende des Tages funktioniert das Early-Stage-Investing ähnlich wie das VC-Investing: Ein Homerun zahlt alles andere x-fach zurück. Aber den brauchst du natürlich auch.

Du wurdest in diesem Jahr als Business Angel des Jahres ausgezeichnet. Wie ist das einzuordnen?

Christian Vollmann: Das ist ein Preis vom Business Angels Netzwerk Deutschland. Ein Startup, in das du in den letzten drei Jahren investiert hast, muss dich nominieren. Und dann gibt es eine Jury, die auswählt. Ich habe mich sehr über die Auszeichnung gefreut. Wenn du das zwölf Jahre lang machst und es dir nicht ums Finanzielle geht, sondern eben auch um Pay-forward, also Junggründern zu helfen, die in einer ähnlichen Situation waren wie ich, dann ist so ein Award eine echte Anerkennung.

Hast du dich in den letzten Jahren persönlich verändert?

Christian Vollmann: Gute Frage. Zum einen habe ich mein Payback in Pay-forward gedreht. Das ist es auch, was Berlin im Vergleich zum Silicon Valley noch fehlt. Wir brauchen eine Pay-forward-Mentalität. Ich bin ein großer Verfechter dieser Idee. Meine Eltern haben nie erwartet, dass ich zurückzahle. Aber wenn dir etwas Gutes widerfährt, geh’ auch deinerseits in Vorleistung. Wenn sich diese Denke etabliert, entsteht ein positives Ökosystem. Die Leute im Silicon Valley haben das verstanden. Dort ist es Teil der Stärke.

„Wenn man Erfolg hat, dann investiert man in die nächste Generation und hilft ihr. Ohne immer direkt zu fragen, was man dafür kriegt“

Siehst du denn eine Chance, dass sich das durchsetzt?

Christian Vollmann: Ich bin hoffnungsvoll, dass es zunehmen wird und es ist noch keine Selbstverständlichkeit. Ich sehe zwar einige, die das machen, aber es wird noch nicht oft genug thematisiert. Aber mich treibt das um. Darum mache ich auch beim Bundesverband Deutsche Startups mit. Ich wünsche mir, dass wir uns in Berlin, und auch in Deutschland und Europa, noch mehr als Ökosystem verstehen. Gemeinsam ist man einfach stärker. Und wenn man Erfolg hat, dann investiert man in die nächste Generation und hilft ihr – ohne immer direkt zu fragen, was man dafür kriegt. Das möchte ich gerne fördern. Irgendwann kommt ja wieder was zurück, wenn auch später oder indirekt. Diesen Gedanken möchte ich gerne fördern. Und natürlich gibt es Schmarotzer und Trittbrettfahrer. Aber das ist eine kurz gedachte Strategie, denn das spricht sich herum. Aus meiner Sicht ist Reputation mit das wertvollste Gut. Das heißt, dass du aus falschem Verhalten kurzfristig einen Gewinn ziehen kannst, langfristig aber das Gegenteil bewirkst.

Dann noch ein paar Sätze zu Edarling. Dort bist du 2015 ausgestiegen.

Christian Vollmann: Wir hatten bei Edarling unsere Anteile von Eharmony zurückgekauft. Dadurch gab es eine Art „Natural Cut“. Mir war klar, dass ich mich entweder nochmal für drei bis vier Jahre committen oder aussteigen müsste. Und dann habe ich zu meinen Mitgründern David und Lukas, mit denen ich eng befreundet bin, offen gesagt: „Jungs, sorry, aber mir fällt es schwer, mich jetzt nochmal mehrere Jahre Volldampf für das Thema zu motivieren.“ Wir haben dann mit Michael Schrezenmaier einen weiteren Partner ins Team geholt und ich bin ausgestiegen.

„Eines der ersten Investments von Christian Vollmann war Researchgate. Er hat es damals sehr schnell abgewickelt. Was ich faszinierend fand, dass er – wie viele US-Investoren später – überhaupt nicht aufs Revenue-Modell geschaut hat, sondern nur aufs Produkt und die Person.“ – Ijad Madisch, Researchgate

Und seitdem machst du Nebenan.de.

Christian Vollmann: Als ich bei Edarling ausgestiegen bin, war mir klar, dass ich irgendetwas brauche, das mich inhaltlich fasziniert. Bei dem ich weiß, warum ich es tue. Früher war meine Motivation eher der wirtschaftliche Erfolg. Heute würde mir das überhaupt nicht mehr reichen. Man ist ja viel mehr getrieben vom „Warum“ und fragt sich, welche „Delle im Universum“, wie Steve Jobs es so schön ausgedrückt hat, man selbst machen will. Ich hatte vor ein paar Jahren eine echte Sinnkrise und habe mich gefragt, was ich mit meiner Erfahrung, dem Netzwerk und meiner Reputation überhaupt machen soll? Man sucht ja zwangsläufig etwas Sinnstiftendes. Und ich hatte keine Lust mehr auf das nächste Rat Race – auf ein Modell, das alle kopieren. Das ist mir zu viel Stress.

Vollmann: „Ich habe mein Payback in Pay-forward gedreht“ (Bild: Johannes Räbel)

Nebenan.de läuft also stressfrei?

Christian Vollmann: Natürlich ist mit Nebenan.de auch viel Stress verbunden. Wir haben ein Team von 40 Leuten. Da musst du die Kosten im Griff haben, also die Gehälter der Leute, Miete und so weiter. Mein Team macht immer Witze über mich, weil ich ein sehr sparsamer Gründer bin. Ich lege sehr viel Wert darauf, die Burn Rate möglichst lange gering zu halten, weil das einfach Lebenszeit bedeutet. Deswegen drehen wir jeden Cent dreimal um. Auch unser Büro haben wir eigenhändig renoviert. Alle Mitarbeiter – inklusive uns Gründern – verdienen weniger, als sie woanders kriegen würden. Das gelingt, weil wir alle an den Social Impact glauben. Wir suchen Leute, die intrinsisch sagen: „Ich finde das geil, was ihr macht.“ Das hat Kraft. Du glaubst nicht, wie viele Leute auf der Suche sind nach mehr Sinn in ihrer täglichen Arbeit. Bei uns lernt man extrem viel. Nicht nur, wie man seinen Job macht, sondern auch, wie man ein Unternehmen gründet. Trotzdem ist Deutschland der schwerste Markt, um ein Social Network aufzubauen. Und hyperlocal war schon immer der heilige Gral, den noch niemand geknackt hat. Deswegen ist Nebenan.de für mich ein echter Rollercoaster. Wir sind ja noch Pre-Revenue und haben noch einen relativ weiten Weg bis zur Monetarisierung – da muss man schon Eier in der Hose haben.

Das Gespräch führte Jan Thomas

[td_block_text_with_title custom_title=”Christian Vollmann”]Christian Vollmann startete nach seinem Studium an der WHU 1999 zunächst unter der Führung von Oliver Samwer bei Alando. Nachdem das Portal von Ebay gekauft wurde, verabschiedete sich Vollmann – und machte sich als Gründer einen Namen: Zunächst rief er 2003 das Dating-Portal Ilove, dann 2006 die Video-Plattform Myvideo ins Leben. Heute tritt Vollmann vor allem als Business Angel in Erscheinung und ist Vorstandsmitglied des Bundesverbands Deutsche Startups e.V.

FAQs

Bist du voll, man?

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