Der Hype um die Einhörner ist vorbei
Sie gelten als selten, stark und magisch – vor knapp drei Jahren prägte die Investorin Aileen Lee daher einen Namen für vorbörslich mit mehr als einer Milliarde Dollar bewertete Jungunternehmen: Einhörner. Der Begriff hat sich gehalten, aber die Attribute für die ausnehmend hoch bewerteten Startups stehen mittlerweile zur Disposition.
Zum einen gibt es mittlerweile eine ganze Menge Einhörner. Alleine im vergangenen Jahr erweiterte sich die Herde nach Daten der Venture-Capital-Datenbank CB Insights fast inflationär um 75 Exemplare. Der Seltenheitswert und damit auch die Sonderstellung, die früher Vorreiter wie Xiaomi, Snap und Co. auszeichnete, ist somit dahin.
„Natürlich ist es so, dass das theoretische Potential der Einhörner hohe Strahlkraft hat. Sie können ganze Branchen umdrehen. Auf Grund der niedrigen Zinsen ist momentan außerdem viel Kapital auf dem Markt“, erklärt Marc Mogalle vom Startup Supporter Business Buddies: „Jeder Venture Capitalist hofft auf die ein, zwei großen Winner im Portfolio, da ist auch Angst dabei, das neue große Ding zu verpassen. Das hat in den letzten Jahren dazu geführt, dass viel investiert wurde, viele Firmen hoch bewertet wurden.“
Home24 als warnendes Beispiel
Dennoch steht aber auch die unternehmerische Stärke der Jungunternehmen in Frage. Jüngstes Beispiel: Home24. Der Online-Möbelhändler, an dem auch die Unternehmens-Schmiede Rocket Internet im großen Stil beteiligt ist, war ebenfalls mit mehr als einer Milliarde Dollar bewertet – in der letzten Finanzierungsrunde im vergangenen September schrumpfte der Unternehmenswert quasi über Nacht auf weniger als die Hälfte – genauer: 475 Millionen Dollar – zusammen. Ob sich das Geschäftsmodell mit hohen Akquisitions- und Logistik-Kosten wirklich trägt, schien zu unklar.
Es sind Fälle wie diese, die die vormals noch so euphorisierten Geldgeber stutzen lassen. „Ich glaube nicht, dass ein solcher Fall der gesamten Branche schadet. Aber grundsätzlich haben sich einige Hoffnungsträger nicht so entwickelt, wie erhofft. Die Investoren sind vorsichtiger geworden“, erklärt Mogalle. Kurzum: Die große Magie ist futsch! Dass vermeintlich fabelhafte Prognosen derzeit skeptischer hinterfragt werden, zeigt sich auch an den diesjährigen Zahlen. Im ersten Halbjahr 2016 wuchs die Zahl der Einhörner vergleichsweise moderat um zwölf Exemplare. Im ersten Halbjahr 2015 waren es noch 38.
Unicorpses sind die neuen Einhörner
Ausgerechnet in einem solch schwierigen Umfeld plant Delivery Hero den Börsengang. Das Lieferservice-Startup, an dem Rocket Internet mit 37,5 Prozent beteiligt ist, war 2014 das erste deutsche Jungunternehmen, das in den schon damals gar nicht mehr so elitären Zirkel der Einhörner aufgenommen wurde (aktuell weitere deutsche Einhörner: Hellofresh, CureVac und Auto1 Group).
Die momentane Bewertung des Unternehmens liegt bei 3,1 Milliarden Dollar. Dem Vernehmen nach plant CEO Niklas Östberg den IPO im ersten Quartal 2017, intern hält man dabei sogar eine Bewertung von bis zu 6,5 Milliarden Euro für möglich. „Ich halte das für hoch gegriffen“, sagt Mogalle: „Im Endeffekt muss sich noch zeigen, ob sich die hohen Marketing-Kosten wieder einspielen lassen.“
Im Silicon Valley geistert momentan jedenfalls schon wieder ein neuer Begriff durch die Flure: Unicorpse, eine Wort-Zusammensetzung aus unicorn (Einhorn) und corpse (Leiche). Die früher so bejubelten Einhörner müssen aufpassen, dass ihr Märchen kein schnelles und unschönes Ende nimmt. Mogalle hält all zu große Panikmache jedoch für übertrieben: „Wenn die gesamtwirtschaftliche Lage stabil bleibt wird sich die Entwicklung der Einhörner auf gesundem Niveau einpendeln. Die Wirtschaft muss sich digitalisieren. Und das bietet auch weiter große Chancen für junge Geschäftsmodelle und Unternehmen.“