Revolution mit Luft nach oben
Maschinen sind Menschen, Tieren und Pflanzen vor allem in einem Punkt unterlegen: Sie sind nicht in der Lage, sich eigenständig fortzupflanzen. Bislang. Dass sich daran in naher Zukunft etwas ändern könnte, lassen unlängst veröffentlichte Experimente der Augsburger Firma Kuka Robotics erahnen. Der Roboter-Hersteller kombinierte seine hoch entwickelten Greifarme, die zum Beispiel in der Auto-Fertigung eingesetzt werden, mithilfe von 3D-Druck. Heraus kam eine Maschine, die imstande ist, sich zu reproduzieren. Teilweise zumindest.
Spektakuläre technische Durchbrüche wie dieser zeigen deutlich, wie viel Potenzial in der 3D-Druck-Revolution schlummert. Bemerkenswert vor allem: Kuka Robotics verwendet kein spezialisiertes Sondermodell, sondern einen 3D-Drucker von Maker Bot. Der New Yorker Hersteller zählte vor rund zehn Jahren zu den Ersten, die 3D-Drucker für den Heimgebrauch vertrieben, und ist heute führender Vertreter seiner Branche. Nun ist der anfängliche Hype um die neue Möglichkeit, Formen jederzeit auch zu Hause digital zu verbreiten und zu reproduzieren, gerade etwas abgeflacht. Dafür spielt der 3D-Druck eine immer größere Rolle im industriellen Bereich. Die nächste Welle an technischen Innovationen und eine Reihe Startups mit frischen Ideen stehen schon in den Startlöchern.
Mehr als nur Plastik – auch Metall und Schokoladen lassen sich drucken
Um das wirklich Revolutionäre am 3D-Druck zu verstehen, lohnt ein Blick auf seine Entstehungsgeschichte. Am Anfang ging es vor allem um industriell eingesetzten 3D-Druck – auch additive Fertigung oder Additive Manufacturing (AM) genannt –, wobei verschiedene sich ähnelnde technische Prinzipien entstanden. Egal, ob bei der Stereolithografie, dem 1983 erfundenen, ersten 3D-Druck-Verfahren, dem Lasersintern oder dem erst seit wenigen Jahren etablierten Binder Jetting: Mit Techniken lassen sich durch computergesteuerten, schichtweisen Aufbau dreidimensionale Gegenstände erzeugen. Die endgültige Form wird durch Härtungs- und Schmelzprozesse erreicht. Fast alle Materialien, die sich leicht verformen lassen, können dafür eingesetzt werden – dazu zählen Kunststoffe und Kunstharze ebenso wie Keramik, Glas, Metall und sogar Lebensmittel wie Schokolade.
Der 3D-Druck bietet im Vergleich zu anderen Verfahren wie zum Beispiel dem Fräsen (subtraktive Fertigung) oder Gießen (formgebende Fertigung) zahlreiche Vorteile. So lassen sich etwa mit moderner 3D-Druck-Technologie Design- und Herstellungsprozesse entscheidend beschleunigen und die Herstellungskosten spürbar senken. Gleichzeitig ermöglicht die additive Fertigung eine weitaus höhere Individualität und Design-Freiheit bei Produkten und sorgt zudem dafür, dass weniger Abfall als bei traditionellen Herstellungsverfahren anfällt. Ein weiterer Pluspunkt im Sinne der Nachhaltigkeit: Transportwege für Produkte lassen sich durch dezentrale 3D-Druck-Fertigung massiv verringern.
„3D-Druck ist endlich reif für die Massenproduktion“
„In den ersten 20 Jahren des 3D-Drucks war die Technologie zu langsam und zu teuer, weshalb sie hauptsächlich für das Prototyping verwendet wurde. Heute wird der 3D-Druck endlich für die Massenproduktion eingesetzt“, sagt Ric Fulop, CEO und Mitgründer von Desktop. Das US-Startup zählt weltweit zu den wenigen Firmen, die sich auf das komplexe Verfahren des Metall-3D Drucks spezialisiert haben. Ab 2019 will Desktop Metal erstmals einen massenmarkttauglichen Metall-3D-Drucker vertreiben. Kostenpunkt: rund 750.000 Euro.
Das Technologie-Magazin Wired sieht hinter der bevorstehenden Markteinführung der Drucker den endgültigen Durchbruch des 3D-Drucks. „Fast alles, was Unternehmen machen – von Telefongehäusen über Propeller bis hin zu Bohrern –, besteht aus Metall oder Verbundwerkstoffen aus Metallen und anderen Materialien“, schreibt Jason Pontin, Wired-Autor und ehemaliger Chefredakteur der MIT Technology Review.
Desktop Metal-CEO Fulop ist fest davon überzeugt, dass die neue Generation an 3D-Metalldruckern das Zeug dazu hat, innerhalb weniger Jahre die Verarbeitungsbranche auf den Kopf zu stellen: Montagelinien könnten damit konsolidiert, Lieferketten abgekürzt und die Massenproduktion angepasst werden. Seine Zukunftsprognose: „Heute stellt ein Unternehmen Motoren an einem Ort und medizinische Displays an einem anderen her. Mitte des Jahrhunderts wird derselbe Hersteller in der Lage sein, jedes Produkt an jedem Standort zu bauen und es an den lokalen Markt anzupassen, indem die meisten Teile gedruckt und die Endmontage vor Ort durchgeführt wird.“
Weltmarktführer deutscher Mittelstand
Doch nicht nur in den USA, auch in der deutschen Industrie herrscht Aufbruchstimmung in Sachen Additive Manufacturing. Hier hat man das Potenzial der 3D-Druck-Technologie nicht nur längst erkannt, in manchen Bereichen sind mittelständische Unternehmen bereits Weltmarktführer. Bis zum Jahr 2020 will laut einer Umfrage der Beratung EY ein Viertel der Firmen aus relevanten Branchen wie der Auto-, Luftfahrt- und Maschinenbauindustrie Endprodukte per Drucker herstellen.
Bereits jetzt nutzen laut EY fast 40 Prozent der heimischen Unternehmen 3D-Druck-Technologie, was der höchste Wert innerhalb der Industrieländer ist. Große Hoffnungen ruhen dabei auch in Deutschland auf der additiven Fertigung mit Metall. Zum Teil wird diese schon gewinnbringend eingesetzt, wie ein Beispiel von Siemens zeigt. „Normalerweise benötigte Siemens 44 Wochen, um einen verschlissenen Brenner in einem Kraftwerk zu reparieren. Heute sind es nur noch vier Wochen. Statt Ersatzteile herzustellen, werden von den verschlissenen Brennerköpfen elf Millimeter abgetragen und per 3D-Metalldruck die verlorenen Formen wieder aufgetragen“, rechnet Horst Wildemann, Professor für Betriebswirtschaftslehre an der TU München, in der FAZ vor. Derzeitiger Weltmarktführer für 3D-Metalldrucker ist die EOS GmbH mit Sitz im bayerischen Krailing.
Angesprochen auf die neue Konkurrenz aus den USA, die nicht nur durch Startups wie Desktop Metal, sondern auch durch Großkonzerne wie General Electric und Hewlett-Packard droht, gibt man sich in Bayern selbstbewusst: „EOS wurde vor 30 Jahren gegründet. Wir sind ein Pionier und haben einen sehr großen Beitrag zum heutigen Stand des 3D-Drucks geleistet. Unser Ziel ist es, unseren Marktanteil zu halten. Dazu sind wir bestens aufgestellt“, betont EOS-CEO Adrian Keppler im Wirtschaftsmagazin Capital.
Die erfolgreichsten deutschen 3D-Druck-Startups konzentrieren sich auf die industrielle Fertigung, darunter die beiden Berliner Startups 3Yourmind und BigRep. Neben weiteren Berliner Startups wie Trinkle (Online-3D Druck-Service), 3DYourBody (3D-Scan und -Druck), Fab Lab (offenes Labor), VOJD Studios (Fashion-Design) finden sich auch außerhalb der Hauptstadt Erfolg versprechende junge Unternehmen wie beispielsweise 3DTrust aus München und Additive Works aus Bremen. Das Berliner Startup 3Yourmind, eine Ausgründung der TU Berlin, bietet seit 2014 speziell auf industrielle AM-Prozesse zugeschnittene Software-Plattformen an und zählt unter anderem Siemens, die Deutsche Bahn und Continental zu seinen Kunden.
Deutsche Startups wissen sich zu behaupten
Das Startup BigRep wiederum vertreibt erfolgreich großformatige 3D-Drucker zur professionellen sowie industriellen Fertigung und hat unlängst eine Forschungskooperation mit dem Chemie-Giganten BASF vereinbart (siehe Interview auf der linken Seite). „Wir freuen uns, dass wir in der heimischen Startup-Landschaft mit BigRep einen so starken Partner in Sachen 3D-Druck finden konnten“, sagt Christian Pokropp, Geschäftsführer bei kloeckner.i, Tochterfirma des Duisburger Unternehmens Klöckner & Co.
Der international agierende Stahl- und Metallhändler zählt in seiner Branche zu den Digitalisierungsvorreitern und hat sich bereits 2017 über die Venture-Capital-Tochter kloeckner.v an dem Berliner Startup beteiligt. „Seit unserem Investment hat sich BigRep ausgezeichnet entwickelt, was auch der Einstieg eines namhaften DAX-Konzerns wie BASF zeigt. Diese Zusammenarbeit wird BigRep sicher auf der Materialseite nochmals nach vorn bringen“, so Pokropp. Auch das jüngste Investment bei BigRep unterstreicht die Ambitionen der Berliner, sich zu einem global führenden Hersteller von additiven Manufacturing-Systemen zu entwickeln: So konnte im August der internationale Technologiekonzern Körber als weiterer Investor gewonnen werden.
Im Sommer attestierte das Manager Magazin dem Wirtschaftsstandort Deutschland insgesamt eine „starke Ausgangsposition“ in Sachen 3D-Druck – meldete gleichzeitig jedoch auch leise Zweifel an der aktuellen Entwicklung an: „Genügt das, um den serienmäßigen 3D-Druck aus Deutschland heraus zu einem neuen Big Business, einer neuen Kernbranche zu formen? Oder erleiden die 3D-Spezialisten das gleiche Schicksal, das zuvor bereits die MP3-, Solar- und Windradentwickler ereilte: ganz früh dran, dann aber zu ängstlich und kleinteilig beim Vermarkten und ganz schnell wieder raus?“